Federvieh bleibt auf unbestimmte Zeit im Stall

Wegen des unverändert hohen Vogelgripperisikos soll deutsches Federvieh dauerhaft im Stall bleiben. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hat am Freitag eine unbefristete Verlängerung der Stallpflicht für Geflügel angekündigt, die zunächst bis Ende April verhängt worden war.
BERLIN/RIEMS. Nur in Einzelfällen und unter strengen Auflagen soll Freilandhaltung wieder möglich werden, teilte Seehofer in Berlin mit. "Ich halte das für einen guten Kompromiss zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Tierhalter, dem Tierschutz und dem Schutz vor einer Tierseuche."
Das Risiko einer Einschleppung des hochgefährlichen Virus H5N1/Asia in Nutztierbestände habe sich erhöht, "wie zuletzt auch der Ausbruch in Sachsen gezeigt hat", sagte Seehofer. Sein Beschluss basiere auf einer entsprechenden Risikobewertung des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit auf der Ostsee-Insel Riems. "Angesichts von mehr als 300 positiv getesteten Wildvögeln empfahlen die Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts, die Stallhaltung als Regel beizubehalten und die Freilandhaltung von Geflügel an Bedingungen zu koppeln", betonte Seehofer.
"Jede andere Entscheidung könnte ich politisch nicht verantworten", sagte der Minister zu den Sorgen der Geflügelwirtschaft vor einem Aus von Gänsezucht und Freilandhaltung. Dazu wird es nach Angaben des Ministeriums nicht kommen. Der Deutsche Bauernverband sprach von einem ausgewogenen Vorschlag, kritisierte jedoch, dass dieser unbefristet gelten solle.
Zuvor hatte der Öko-Landbauverband Bioland ein Ende der Stallpflicht gefordert. Vor allem der Gänsezucht in Deutschland drohe bei einer Verlängerung der Stallpflicht über den 30. April hinaus das Ende. Die Legeleistung der Zuchtgänse gehe durch die Stallpflicht um 70 Prozent zurück. Dies sorge schon jetzt für erhebliche Verluste. Auch biete die Stallhaltung keine absolute Sicherheit: In Sachsen seien Puten im Stall erkrankt, während frei herumlaufende Gänse gesund blieben.
Seehofer will über seine Entscheidung jetzt mit den Bundesländern sprechen und in der nächsten Woche eine Eilverordnung erlassen, die die jetzige Stallpflicht über April hinaus zunächst bis Ende August verlängert. Zugleich bringe er eine Dauerverordnung in die Gesetzgebung des Bundesrates ein, um die "Aufstallungspflicht" über 2006 hinaus unbefristet zu verankern. Eine Eilverordnung könne rechtlich nur vorübergehenden Charakter haben.
Seehofer will zudem in der nächsten Woche im EU-Agrarrat erreichen, dass die Kennzeichnung für Freilandeier auch dann weiterhin gilt, wenn das Geflügel in Großvolieren gehalten wird, die gegen H5N1-Übertragungen durch Wildvögel nach oben hin mit dichten Abdeckungen und seitlich gegen das Eindringen von Überträgern gesichert sind. Ohne eine solche EU-Änderung würde die Kennzeichnungsmöglichkeit als Freilandei am 12. Mai enden. Mit den Großvolieren seien nicht die Volieren für Legehennen gemeint, die nur etwas größer als künftig verbotene Käfige seien.
Ausnahmen von der Stallpflicht sollen nur möglich sein, wenn Geflügel aus betroffenen Betrieben nicht in andere Geflügel haltende Betriebe transportiert wird. Nahe großer Sammelplätze von Wildvögeln und in Regionen mit großer Geflügeldichte werden die Chancen für Ausnahmegenehmigungen demnach gering sein. Bedingung für den freien Auslauf des Federviehs ist außerdem die regelmäßige tierärztliche Untersuchung.

HANDELSBLATT, Freitag, 21. April 2006, 22:11 Uhr


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