Vogelgrippe in Zuchtbetrieb überrascht die Behörden
Der Ausbruch der Vogelgrippe in einem sächsischen Mastbetrieb
stellt die Fachleute vor ein Rätsel. Nach Behördenangaben wurde
die Geflügelfarm laufend kontrolliert.
BERLIN. Bei den wöchentlichen Untersuchungen seien bei den
Tieren keine Viren festgestellt worden, teilten Vertreter des
Muldentalkreises mit, in dem sich die Geflügelfarm befindet. Die
Puten hätten nicht einmal Antikörper gegen das Vogelgrippevirus
entwickelt gehabt. "Deshalb hat uns der Nachweis des Virus auch
so erschüttert", sagte Amtsärztin Regine Krause. Der Befund sei
endgültig, lediglich die Frage, ob es sich um die hoch
aggressive Variante der Erregers handele, sei noch offen, sagte
die sächsische Sozialministerin Helma Orosz (CDU).
In Puten, die am Sonntag in dem Betrieb in Wermsdorf verendet
waren, wurde erstmals in einem Nutztierbetrieb in Deutschland
das H5N1-Virus festgestellt. Kreistierarzt Ingolf Herold äußerte
die Vermutung, dass das Geflügel durch Wildvögel angesteckt
worden sei. Die in dem Betrieb gehaltenen Tiere seien mit
Zustimmung der Behörden zeitweise von der Stallpflicht befreit
gewesen. Noch am Mittwoch begann die Tötung der etwa 16 000
Puten, Gänse und Hühner auf der nach Behördenangaben größte
Geflügelfarm Sachsens. Die Tiere würden in den Ställen mit Gas
getötet. Rund um den Betrieb wurde eine Sperr- und eine
Beobachtungszone mit einem Gesamtradius von 13 Kilometern
eingerichtet. "Das ist der erste Fall H5N1 in einem
Nutztierbestand. Und das macht es brisant", sagte Orosz.
Der Bauernverband warnte allerdings vor Panik. Man gehe von
einer schnellen Eindämmung aus. "Wir sind sehr sicher, dass das
gelingen wird, weil das Virus sich nur durch direkte Kontakte
überträgt", sagte Generalsekretär Helmut Born. "Wenn ein solcher
Fall eintritt, muss man schnell handeln, um jegliche Ausbreitung
zu verhindern." Die Geflügelhalter seien aber gut vorbereitet.
Wenn ein Sperrbezirk schnell geräumt werde und kein
Tiertransport stattfinde, könnten die Beschränkungen nach kurzer
Frist wieder aufgehoben werden. "Das macht uns recht
optimistisch." Dann könne vermieden werden, dass plötzlich auch
Nachbarbestände dahingerafft würden.
Bislang war Nutzgeflügel in Deutschland von der Vogelgrippe des
Virusstamms H5 verschont geblieben. Ein erster Verdachtsfall in
einem Betrieb in Bayern hatte sich Mitte März nicht bestätigt.
Nach Angaben einer Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts
war Geflügelpest zuletzt im Jahr 2003 in Deutschland
aufgetreten. Damals habe es sich um den Virustyp H7N7 gehandelt.
Von der Vogelgrippe mit dem besonders gefährlichen H5N1-Erreger
ist vor allem Mecklenburg-Vorpommern betroffen. Dort wurde das
Virus inzwischen bei 187 Wildvögeln festgestellt. Zudem hatten
die Virologen die Seuche bei zwei Katzen und einem Steinmarder
diagnostiziert. Das aus Asien verbreitete Virus wurde zudem bei
Wildvögeln in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg,
Schleswig-Holstein und Niedersachsen nachgewiesen.
Die Vogelgrippe hat sich von Asien nach Europa und Afrika
ausgebreitet. Experten weisen immer wieder darauf hin, dass die
Vogelgrippe vor allem eine Tierseuche ist. Zwar wurden bislang
weltweit 191 Ansteckungen von Menschen registriert, die zumeist
in enger räumlicher Nähe mit dem Nutzgeflügel lebten und somit
in direkten Kontakt mit infizierten Vögeln gekommen waren. 108
Menschen sind dem Virus zum Opfer gefallen. In Deutschland ist
bislang keine Infizierung eines Menschen aufgetreten. Das Virus
gilt jedoch als schnell veränderbar. Mediziner sorgen sich, dass
der Erreger so stark mutieren könnte, dass sich Menschen auch
untereinander anstecken könnten.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 06. April 2006, 08:38 Uhr