Vogelgrippe erreicht erstmals deutschen Geflügelhof
Rund sieben Wochen nach dem Ausbruch der Vogelgrippe in
Deutschland hat das gefährliche Virus H5N1 erstmals einen
deutschen Geflügelhof erreicht.
DRESDEN/RIEMS/BERLIN. Das bestätigte das sächsische
Sozialministerium am Mittwoch in Dresden. Rund 700 Tiere eines
Putenbestands in Wermsdorf bei Leipzig seien bereits gestorben,
sagte Amtstierarzt Ingolf Herold. Das
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems
bestätigte, dass es sich um die hoch gefährliche H5N1-Variante
handelt, die auch bei anderen Vogelgrippefunden in Deutschland
nachgewiesen worden war. Die Tötung des betroffenen Bestands
begann noch am Abend. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
bezeichnete die Lage als ernst.
"Es ist sehr bedauerlich, dass das Virus einen Nutztierbestand
befallen hat", sagte Merkel in Berlin. Es müsse alles
unternommen werden, um mehr über die Infektionswege zu erfahren.
"Das wirft eine ganze Menge Fragen auf." Auch
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) betonte:
"Jetzt kommt es vor allem darauf an, die Ursache für den
Ausbruch zu klären." Wichtig sei zudem, eine weitere Ausbreitung
des Virus zu verhindern. Er appellierte an die Geflügelhalter,
die Schutzmaßnahmen einzuhalten.
Das Vogelgrippevirus H5N1 hatte sich in einem Stall mit 1400
Puten seit Dienstag mit verheerendem Tempo ausgebreitet. Unklar
ist bisher, wie das Virus in den Bestand gelangen konnte. Die
Tiere seien seit Beginn der Stallpflicht nicht mehr im Freien
gewesen, betonte das Landratsamt. In Sachsen wurde zudem noch
kein Wildvogel positiv auf den H5N1-Erreger getestet. "Auch wenn
wir noch keinen Wildvogel mit dem H5N1-Virus in Sachsen gefunden
haben, heißt das nicht unbedingt, dass Wildvögel in Sachsen
nicht von der Vogelgrippe betroffen sind", sagte FLI-Sprecherin
Elke Reinking.
Ein FLI-Epidemiologe aus der Außenstelle Wusterhausen
(Brandenburg) wird von diesem Donnerstag an untersuchen, wie das
Virus in den Bestand eingetragen worden ist. Außer Wildvögeln
kommen auch Transporte, Stall-Streu oder Futter als Überträger
in Frage. Oberstes Ziel sei es jetzt, durch die vor Ort
getroffenen Schutzmaßnahmen das Seuchengeschehen lokal zu
begrenzen, sagte Reinking.
Der Bauernverband rechnet unterdessen nicht mit einer
flächendeckenden Ausbreitung der Vogelgrippe bei Nutzgeflügel in
Deutschland und hofft auf eine schnelle Eindämmung. "Wir sind
sehr sicher, dass das gelingen wird, weil das Virus sich nur
durch direkte Kontakte überträgt", sagte Generalsekretär Helmut
Born am Mittwoch in einem dpa-Gespräch. "Wenn ein solcher Fall
eintritt, muss man schnell handeln, um jegliche Ausbreitung zu
verhindern." Die Geflügelhalter seien aber gut vorbereitet.
Die EU-Kommission pochte auf die Einhaltung europäischer
Vorschriften wie Schutz- und Pufferzonen sowie die Keulung der
Bestände. Solange die Notfallpläne eingehalten würden, sehe die
Kommission keinen Grund zum Eingreifen, sagte ein
Behördensprecher am Mittwoch in Brüssel. In dem Fall gebe es
auch keine Exportbeschränkungen.
"Alle in der Kürze der Zeit möglichen Maßnahmen wurden bereits
eingeleitet", sagte Sachsens Sozialministerin Helma Orosz (CDU).
Der betroffene Bestand, Sachsens größter Geflügelzuchtbetrieb,
wurde gesperrt, Schutzzonen um das Unternehmen seien
eingerichtet worden.
Danach gilt drei Kilometer um den Geflügelhof eine Sperrzone. Es
sollten in dem Betrieb mindestens 16000 Tiere getötet werden.
Dabei handelt es sich um 8000 Puten, 5000 Gänse und 3000 Hühner.
Im erweiterten Umkreis von zehn Kilometern werden
Vögel beobachtet. Nach Angaben des Ministeriums wurden in
Sachsen seit Mitte Februar 3365 tote Wildvögel auf die Infektion
untersucht. Das Ergebnis war bisher in allen Fällen negativ.
Unterdessen berichten niederländische Forscher, dass Katzen eine
wichtige Rolle bei der Übertragung der auch für den Menschen
gefährlichen Form der Vogelgrippe spielen könnten. In
gefährdeten Gebieten sollten die Tiere besser beobachtet und
eventuell sogar isoliert werden, fordert eine Gruppe von
Virusforschern um den Rotterdamer Experten Ab Osterhaus in einem
Kommentar im Fachjournal "Nature" (Bd. 440, S. 741).
Die Forscher fanden das Virus in den Ausscheidungen der Katzen -
allerdings in weit geringerer Konzentration als bei Vögeln. Bei
den Katzen, die infiziertes Fleisch gefressen hatten, wurde das
Virus nicht nur in den Atemwegen, sondern auch in den Darmwänden
nachgewiesen. Dies lasse einen neuen Ansteckungsweg vermuten,
schreiben die Forscher.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 05. April 2006, 20:27 Uhr