Impfstoff gegen Vogelgrippe: Schnellere Produktionsverfahren

Von Anna Sleegers, Hans Schürmann

Nachdem sich die Vogelgrippe auch in Europa in rasendem Tempo verbreitet hat, konzentriert sich die Angst darauf, dass ein Ableger des Erreger H5N1 eine Pandemie auslösen könnte. Virologen und große Pharmakonzerne wollen vorsorgen.
FRANKFURT/DÜSSELDORF. In den Labors der Impfstoffhersteller kämpfen Virologen gegen ein Phantom. Nachdem sich die Vogelgrippe auch in Europa in rasendem Tempo verbreitet hat, konzentriert sich die Angst darauf, dass ein Ableger des Erreger H5N1 eine Pandemie auslösen könnte. Da sich die Struktur des Super-Virus nicht vorahnen lässt, experimentiert neben Sanofipasteur und Chiron jetzt auch Glaxosmithkline (GSK) mit einem H5N1-Impfstoff für den Menschen.
"In verschiedenen Forschungszentren in Deutschland und Belgien erhalten in den kommenden Wochen und Monaten etwa 400 gesunde Probanden unseren Wirkstoff", kündigte Bruce Innis, Forschungsleiter der Impfstoffabteilung von GSK gestern in einer Telefonkonferenz an. Die Teilnehmer seien zwischen 18 und 60 Jahre alt. In erster Linie werde in der ersten Studienphase die Sicherheit des Präparats getestet.
Darüber hinaus soll den Studienteilnehmern Innis zufolge vor und nach jeder Impfung sollen ihnen Blutproben entnommen werden, um die Immunreaktion zu testen. Auf diese Weise wollen die Forscher herausfinden, welche Dosis nötig ist, um einen Impfschutz zu erreichen.
Die Wettbewerber Chiron und Sanofipasteur sind schon einen Schritt weiter und haben die erste Studienphase bereits abgeschlossen. Neben dem abgetöteten H5N1-Virus enthalten die Präparate der Impfstoffhersteller Zusatzstoffe, die die Immunisierungswirkung verstärken sollen. Diese so genannten Adjuvanzien sorgen dafür, dass das Vakzin auch bei einer stärkeren Verdünnung die Antikörperproduktion beim Menschen anregt.
"Wir haben einen neuartigen Zusatz, der besser wirkt als die bislang üblichen Aluminiumsalze", sagte Innis. GSK hofft dadurch, den Impfstoff noch stärker verdünnen zu können und so mehr Menschen mit einem Produktionsausstoß schützen zu können. Damit wäre viel gewonnen, denn die Entwicklung von Grippeimpfstoffen ist momentan nur mit Hilfe von angebrühteten Hühnereiern möglich. Bei einer Produktion mit 180 000 Eiern werden nur wenige Liter gewonnen. Für den Schutz vor einer weltweiten Pandemie wäre daher eine enorme Zahl von Eiern notwendig.
Doch wenn es nach GSK ginge, sollte mit einer Impfung der Bevölkerung nicht gewartet werden, bis eine Pandemie ausbricht. Das Immunsystem sollte vielmehr schon vorher durch ein Vorimpfung zur Abwehr des Vogelgrippe-Virus stimuliert werden. GSK hofft bei vorgeimpften Menschen bei der eigentlichen Impfung gegen den Pandemie-Virus gleich beim ersten Mal einen vollständigen Schutz erzielen zu können. Vorteil: Dadurch könnten in kürzerer Zeit viel mehr Menschen geschützt werden.
Der Vorschlag weicht von den bisherigen Pandemieplänen der Bundesregierung ab und wäre "eine Wette auf die Zukunft". Denn diese Strategie kann nur bei einer Pandemie funktionieren, die tatsächlich von einem Vogelgrippe-ähnlichen Erreger ausgelöst würde. Bei einem völlig anderen Virus wäre sie wirkungslos. Hans Dieter Klenk, Direktor des Zentrums für Hygiene und Infektionsbiologie an der Universität Marburg hält diese Strategie dennoch für sinnvoll.
Grundlage für diese Vorimpfung könnte ein so genannter Prototyp-Impfstoff sein, den GSK im Rahmen einer Anpassung des Herstellverfahrens auf die Produktion eines Pandemieimpfstoffes entwickelt hat. Der Impfstoffhersteller hat dabei sein bisheriges Produktionsverfahren für Grippe-Impfstoffe variiert und ein Vakzin auf Basis eines genmodifizierten H5N1-Virus hergestellt.
Diese Methode spart Zeit, weil für eine Impfung gegen einen Pandemie-Virus nur ein Virusstamm gezüchtet werden muss, statt drei wie bei der jährlichen Produktion der Impfstoffe gegen die Influenza. Außerdem werden anstelle der heute üblichen Spaltprodukte des Erregers der vollständige Virus eingesetzt. Da in diesem Fall die Trennung in die Bestandteile und deren Reinigung wegfällt, bleibt am Ende mehr Impfstoff übrig.
Für das Herstellverfahren hat der Impfstoffhersteller aus Dresden Ende vergangenen Jahres ebenso wie Chiron bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA die Zulassung beantragt. Eine Sprecherin von Sanofipasteur kündigte an, dass ihr Unternehmen in den kommenden Wochen ebenfalls einen Zulassungsantrag stellen werde. Wenn die Behörde das Verfahren zur Produktion des Serums prinzipiell genehmigt, kann die Impfstoff-Herstellung, wenn eine Pandemie ausbrechen würde, beschleunigt werden: Der Impfstoff-Prototyp müsste dann nur noch auf die mutierte H5N1-Varianten anpasst werden lässt.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bewertet im Auftrag der EMEA die Ansätze der europäischen Forscher und gibt Ende dieses Monats seine Einschätzung zu den Verfahren ab. Ob eine Zulassung erfolgt wird frühestens Ende April entschieden, da der zuständige EMEA-Ausschuss nur einmal im Monat tagt.

HANDELSBLATT, Freitag, 31. März 2006, 08:13 Uhr


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