Bundesregierung stellt Forschungsprogramm vor / 226 Vogelgrippe-Fälle in Deutschland

Die Zahl der nachgewiesenen Vogelgrippe-Fälle in Deutschland hat sich auf 226 erhöht. Die Bundesregierung wird am Mittwoch ein Forschungsprogramm zur vorstellen, um die Suche nach potenten Impfstoffen voranzutreiben. Unterdessen ist die Seuche in Pakistan angelangt.
HB BERLIN/ISLAMABAD/RIEMS. Die Bundesregierung will die Forschung zur Vogelgrippe mit einem nationalen Programm beschleunigen und die Suche nach geeigneten Impfstoffen vorantreiben. Darüber berät an diesem Mittwoch das Bundeskabinett in Berlin. Dabei geht es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums besonders um das Impfen allgemein und die Übertragungswege des Erregers H5N1. Die Tierseuche hat unterdessen auch Pakistan erreicht, wo das Virus auf zwei Geflügelfarmen entdeckt wurde. In Deutschland ist der Erreger nach Auskunft des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) inzwischen bei insgesamt 226 Wildvögeln nachgewiesen worden.
Das Forschungsprogramm des Bundes dreht sich nicht nur um die Vogelgrippe, sondern generell um Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, so genannte Zoonosen. Die Minister für Agrar, Gesundheit und Forschung, Horst Seehofer (CSU), Ulla Schmidt (SPD) und Annette Schavan (CDU), stellen es an diesem Mittwoch vor.
Schwerpunkt der Vogelgrippe in Deutschland ist nach Auskunft des FLI weiterhin Mecklenburg-Vorpommern mit 163 Virusnachweisen, gefolgt von Bayern mit 28, Brandenburg mit 15, Baden-Württemberg mit 13, Schleswig-Holstein mit sechs und Niedersachsen mit einem Nachweis, sagte FLI-Präsident Thomas Mettenleiter am Dienstag der dpa. Hinzu komme der Virennachweis bei drei Katzen und einem Steinmarder auf der Ostseeinsel Rügen.
Die FLI-Forscher haben noch keine abschließende Erklärung für das Übergreifen der Tierseuche auf Deutschland. Der fast parallele Ausbruch von Süditalien bis nach Südskandinavien deute darauf hin, dass Zugvögel das Virus im Zuge der Winterflucht aus den in diesem Jahr extrem kalten östlichen Ausbruchsgebieten nach Westen eingeschleppt haben, sagte Mettenleiter. Um genauere Aussagen über die Verbreitung des H5N1-Virus treffen zu können, hat das Institut auch mit der Untersuchung gesunder Wildvögel begonnen. Es soll dabei getestet werden, ob diese Tiere Virusträger sind und ob sie Antikörper gegen den Erreger entwickeln.
In Pakistan berichtete das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Ernährungsministerium, das Vogelgrippevirus H5N1 sei bei zwei Geflügelfarmen in der Nordwestprovinz an der Grenze zu Afghanistan nachgewiesen worden. Vor wenigen Tagen hatte Afghanistan den H5N1- Erreger erstmals registriert.
In Ägypten sei die Vogelgrippe bisher bei drei Menschen diagnostiziert worden, sagte der Sprecher des Kairoer Gesundheitsministeriums, Abdul Rahim Schahin. Eine mit dem Virus H5N1 infizierte Frau aus der Provinz Kaljubija 30 Kilometer nördlich von Kairo war gestorben. Bei Geflügel ist die Vogelgrippe bislang in 16 der 26 ägyptischen Provinzen festgestellt worden.
In Deutschland forderten unterdessen die verbraucherpolitischen Sprecher der SPD auf Bundes- und Länderebene eine neue Diskussion über das Impfen gegen die Vogelgrippe. Die SPD-Verbraucherpolitikerin im Bundestag, Waltraud Wolff, sagte, ein neuer Impfstoff, der erstmals nach drei Tagen ein Ausscheiden des Virus durch infiziertes Geflügel verhindere und damit eine Verbreitung eindämme, sei derzeit im Zulassungsverfahren.
Der Impfschutz solle für Zootiere und für Rassegeflügel von Hobbyzüchtern ermöglicht werden, sagte Wolff. In der kommenden Woche würden darüber Gespräche mit Verbraucherschutzminister Seehofer geführt. In Saarbrücken hatten die verbraucherpolitischen Sprecher der SPD in den Länder und im Bund seit Montag getagt.
Die Geflügelwirtschaft kritisierte derweil Pläne, Geflügelprodukte zur Fußball-Weltmeisterschaft aus den WM-Stadien zu verbannen. "Das ist ein völlig falsches Signal", sagte der Sprecher des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, Thomas Janning, am Dienstag der dpa in Berlin. "Geflügelfleisch ist sicher und gesundheitlich absolut unbedenklich." Es sei "völlig unsinnig", keine Geflügelprodukte in WM-Stadien anzubieten.
Der Caterer Aramark, der für die WM-Bewirtung zuständig ist, will in Stadien keine Geflügelprodukte anbieten. Das sei mit dem Fußballweltverband FIFA vereinbart worden und im Hinblick auf die Vogelgrippe "rein präventiv", sagte Deutschland-Geschäftsführer Udo Luerssen der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag).

HANDELSBLATT, Dienstag, 21. März 2006, 18:16 Uhr


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