Erstmals Säugetier befallen / Katze auf Rügen mit H5N1 infiziert

Erstmals ist in Deutschland ein Säugetier vom Vogelgrippe-Virus H5N1 befallen worden: Auf der Insel Rügen wurde die Virus-Variante bei einer Katze festgestellt. Zuvor war H5N1 in Bayern und damit in einem vierten Bundesland nachgewiesen worden.
Der Chef des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Ostseeinsel Riems, Thomas Mettenleiter, sagte am Dienstagnachmittag, die Katze sei am vergangenen Wochenende in der Nähe der Wittower Fähre aufgefunden worden. Dort waren auch die meisten der mehr als 100 infizierten Wildvögel auf Rügen gefunden worden. Mettenleiter ergänzte, ob es sich um die hoch ansteckende Variante von H5N1 handele, die in Asien und der Türkei auch zu Erkrankungen von Menschen geführt habe, werde derzeit noch untersucht.
Der Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, berichtete, der Kater sei auf dem Hof seiner Besitzers an der Seuche verendet. Der Halter nahe der Wittower Fähre habe Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kater beobachtet und ihn weggesperrt, sagte Backhaus in Schwerin. Am nächsten Tag habe er das Tier tot aufgefunden und das Ordnungsamt verständigt. Der Kater habe 4,8 Kilo gewogen, sei gut genährt und gepflegt gewesen, sagte Backhaus.
Nach Angaben von Institutsleiter Mettenleiter ist seit längerem aus Asien bekannt, dass sich Katzen mit dem Virus anstecken könnten, wenn sie infizierte Vögel fressen. Eine Ansteckung von Menschen durch infizierte Katzen sei bislang aber noch nicht nachgewiesen worden. "Eine theoretisch nicht auszuschließende Ansteckung des Menschen kann vermutlich nur bei sehr innigem Kontakt mit infizierten Tieren erfolgen", erklärte Mettenleiter. Das Institut riet Katzenbesitzern, ihre Tiere besonders im Bereich des Zentrums der Infektionen um die Wittower Fähre nicht frei laufen zu lassen. Zudem sollten die Halter auf eine besondere Hygiene achten. Bei Anzeichen von schweren Erkältungen bei Katzen, die Freilauf in Gebieten hatten, in denen H5N1 infizierte Vogelkadaver gefunden wurden, sollte der Tierarzt aufgesucht werden.

Wildvögel in Oberbayern waren infiziert

Zu den Fällen in Bayern erklärte das Landesumweltministerium in München, es sei vom Friedrich-Loeffler-Institut informiert worden, dass H5N1 bei zwei Wildvögeln nachgewiesen wurde, die tot in Oberbayern entdeckt worden waren. Auch in diesen Fällen müsse noch geklärt werden, ob es sich bei dem Erreger um die hochansteckende Asia-Variante handele.
Bislang ist das Virus in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Brandenburg nachgewiesen. Verdachtsfälle wurden zudem aus Schleswig-Holstein gemeldet. Mecklenburg-Vorpommern zählt bislang die meisten infizierten Vögel. Nach Angaben einer Sprecherin der Schweriner Landesregierung wurde der Virus bei insgesamt 121 Wildvögeln festgestellt, die meisten auf der Ostseeinsel Rügen.
Deutschlands Landwirte müssen damit rechnen, ihr Geflügel länger im Stall zu halten als zunächst vorgesehen. "Sollte die Vogelgrippe Ende April noch im Land sein, werden die Maßnahmen verlängert", sagte eine Sprecherin von Landwirtschaftsministerin Horst Seehofer (CSU) der "Süddeutschen Zeitung". Noch sei aber keine Entscheidung getroffen. Zuvor soll für Mitte April eine Risikoanalyse abgewartet werden. Bislang ist die Stallpflicht bis Ende April befristet.
Unterdessen werden auch die wirtschaftlichen Folgen der Vogelgrippe zunehmend diskutiert. Der Ausbruch in Europa dürfte nach Einschätzung der Deutschen Bank die Inflation anheizen. So lange aber die Krankheit für Menschen nicht direkt ansteckend sei, blieben die Folgen für das Wachstum gering, hieß es in der am Dienstag veröffentlichten Studie.

Verbraucher-Reaktion wie bei BSE

Die Ökonomen der Bank ziehen für ihre Analyse die Folgen der BSE-Krise - auch bekannt als Rinderwahn - von 2000/2001 als Vergleichsmaßstab heran. Damals waren die Verbraucher auf andere Fleischsorten ausgewichen, was die Preise etwa für Schweinefleisch deutlich in die Höhe getrieben hatte. Da gleichzeitig durch die Stützung der Europäischen Union der Rindfleisch-Preis nicht in gleichem Maße sank, erhöhte sich insgesamt die Inflation.
Bereits jetzt zeichnet sich den Ökonomen zufolge ab, dass die Verbraucher wieder ähnlich reagieren. In den Ländern, in denen die Vogelgrippe ausgebrochen sei, sei der Genuss von Geflügelfleisch zwischen 20 und 70 Prozent eingebrochen. "Angesichts der etwas größeren Bedeutung von Geflügel und Ei verglichen mit Rindfleisch und der wohl etwas größeren Angst vor der Vogelgrippe halten wir eine um 0,3 Prozentpunkte höhere Inflationsrate in diesem Jahr für möglich", erklärten die Ökonomen. Dadurch könne die Inflation im Jahresschnitt in der Euro-Zone höher als bislang von der Bank mit 2,2 Prozent erwartet ausfallen.

HANDELSBLATT, Dienstag, 28. Februar 2006, 16:12 Uhr


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