Südostasien: Impfen und schlachten gegen die Vogelgrippe

Gut zwei Jahre ist es her, dass Meldungen aus Asien über eine mysteriöse Krankheit Namens Vogelgrippe den Westen aufschreckte. Inzwischen hat der Erreger den Weg bis ins Herz Europas gefunden. Doch in Thailand und Vietnam, ist es mittlerweile still um die Vogelgrippe geworden. Laut WHO könnte auch Deutschland von diesen Ländern lernen.
Die kommunistische Regierung in Hanoi entschied sich für ein aggressives Impfprogramm für 241 Millionen Hühner und Enten, um die Ausbreitung des Erregers einzudämmen, und das offensichtlich mit Erfolg. Seit einem Monat wurde kein neuerlicher Ausbruch der Vogelgrippe mehr bekannt, der jüngste Todesfall unter Menschen datiert vom November.
Thailand lehnte indes Impfungen ab, vor allem, um die wichtige Geflügelindustrie nicht zu gefährden. Doch scheint auch dort die Seuche zumindest vorläufig inzwischen unter Kontrolle, jedoch zu einem hohen Preis: 29 Millionen Stück Federvieh, fast 15 Prozent des Gesamtbestandes, wurden notgeschlachtet oder verendeten.
Vietnam griff zur Massenimpfung seines Geflügels, weil sich das Virus weiter ausbreitete, obwohl die Regierung rund 100 Millionen Stück Geflügel hatte töten lassen. Im September begannen die Behörden, das Federvieh per Injektion vor dem Befall zu schützen, Geflügelmärkte in Städten wurden verboten und zugleich eine Aufklärungskampagne für die Bevölkerung gestartet.
"Wenn andere Länder ganz bestimmt etwas von Vietnam lernen können, dann, dass man recht drastische Schutzmaßnahmen ergreifen muss", sagt der Länderdirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO für Vietnam, Hans Troedsson. "Wenn man sich für Impfung entscheidet, dann muss es im großen Stil sein, wie in Vietnam. Wählt man Notschlachten, muss es früh geschehen." Je seltener das H5N1-Virus vorkomme, desto seltener könne es Geflügelbestände befallen und desto geringer sei die Möglichkeit, dass es mutiere und eine Pandemie verursache.
Europäische Länder seien mit Blick auf Infektionen von Menschen einem geringerem Risiko ausgesetzt als Asien oder Afrika, weil es dort weit weniger Märkte mit lebendem Federvieh oder Geflügel in Hinterhöfen gebe, betont Troedsson. Entsprechend niedriger sei die Gefahr für Menschen, sich durch das Blut, den Speichel oder Fäkalien von Hühnern und Enten anzustecken, sagte der Fachmann. "Europa hat den Vorteil, dass es Überwachungsmechanismen bereits gibt", sagt Caroline Benigno, Vogelgrippe-Expertin der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO in Bangkok. Auch sei das Bewusstsein für die Gefahren der Seuche in Europa schon vorhanden.
Entsprechend ist nach Meinung von Fachleuten die europäische Geflügelindustrie den größten Risiken ausgesetzt, nicht der Mensch. So war es auch in Thailand. 2003 exportierte das Königreich noch rund 400 000 Tonnen gefrorenes Hühnerfleisch. Nach dem Ausbruch der Tierseuche sackten die Ausfuhren auf weniger als 20 000 Tonnen im Jahr 2004 ab, weil die EU und andere wichtige Märkte einen Importstopp verhängten. Inzwischen hat die Europäische Union wieder die Einfuhr von gekochtem Hühnerfleisch aus Thailand erlaubt. Und es ist nicht ohne Ironie, dass die Regierung in Bangkok kürzlich wegen der Vogelgrippefälle in Europa ein Geflügel-Importverbot aus allen Ländern verfügte, in denen das Virus inzwischen aufgetreten ist.
Nach den jüngsten Vogelgrippe-Fällen auf deutschem Gebiet am Bodensee hatte die Tierseuche in Europa am Wochenende nun auch die Schweiz erreicht. Nach Angaben des Bundesamtes für Veterinärwesen in Bern wurde das H5-Virus bei einer Ente in Genf festgestellt. Am Südufer des Bodensees wurde eine Sperrzone eingerichtet, um ein Übergreifen des Virus auf Nutztiergeflügel in der Nord-Schweiz zu verhindern.
In Deutschland breitete sich die Seuche derweil weiter unter Wildvögeln aus, während sie in Frankreich - dem größten Geflügelproduzenten in der EU - erstmals bei Tieren auf einer Truthahnfarm auftrat. Einschließlich Baden-Württemberg grassiert die Vogelgrippe in Deutschland nun in vier Bundesländern. Die Gesamtzahl der nachweislich an Vogelgrippe verendeten Tiere stieg auf 124.

HANDELSBLATT, Montag, 27. Februar 2006, 10:14 Uhr


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