Die Vogelgrippe erreicht neutrales Gebiet / Schweiz ist betroffen
Nach den jüngsten Vogelgrippe-Fällen auf der deutschen Seite des
Bodensees ist die Tierseuche nun auf die Schweiz übergesprungen.
In Deutschland sind mittlerweile vier Bundesländer betroffen.
Nach Angaben des Bundesamtes für Veterinärwesen
in Bern wurde das H5-Virus bei einer Ente in Genf festgestellt.
Am Südufer des Bodensees wurde eine Sperrzone eingerichtet, um
ein Übergreifen des Virus auf Nutztiergeflügel in der
Nord-Schweiz zu verhindern. Ob es sich bei dem Virus um den auch
für den Menschen gefährlichen Erreger H5N1 handelt, sollen Tests
in einem EU-Referenzlabor ergeben. Ergebnisse werden in den
nächsten Tagen erwartet. Die Ente war schon am Mittwoch unweit
der berühmten See-Fontäne tot im Wasser entdeckt worden. Seitdem
wurden nach Angaben des zuständigen Wildhüters aber keine toten
Tiere mehr in der Stadt gefunden.
Die besonders aggressive asiatische Variante der Vogelgrippe war
zuletzt bei einem Vogel im baden-württembergischen Überlingen am
Bodensee bestätigt worden. Am Sonntag teilten die Behörden des
Bundeslandes dann mit, dass H5N1 auch bei Enten in Öhningen und
Singen gefunden worden sei. Die Behörden in den Kantonen
Schaffhausen und Thurgau - die an Deutschland grenzen -
richteten umgehend Sperr- und Überwachungszonen ein. Auch im
Kanton St. Gallen, auf den neben dem Thurgau der größte Teil des
Schweizer Bodensee-Ufers entfällt, seien die Behörden
vorbereitet, Schutz- und Überwachszonen einzurichten, teilte das
Veterinäramt mit.
Die Tierseuche wurde nun in vier Bundesländern nachgewiesen: und
zwar in Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg,
Schleswig-Holstein und in Brandenburg. Die Zahl der bislang
positiv auf das Virus H5N1 getesteten toten Wildvögel erhöhte
sich auf mehr als 120, davon die allermeisten in
Mecklenburg-Vorpommern.
Das Virus wurde inzwischen in allen Landkreisen an der Küste
Mecklenburg-Vorpommerns entdeckt. Insgesamt wurde das Virus in
dem Land am Wochenende bei sechs Wildvögeln registriert und zwar
auf Rügen, in Nord- und Ostvorpommern und erstmals im Kreis Bad
Doberan, wie der interministerielle Führungsstab in Schwerin
berichtete.
Auch in Brandenburg liefen die Seuchenschutzmaßnahmen an. Dort
war das Virus H5N1 am Samstag bei zwei Wildvögeln im Raum
Schwedt gefunden worden. Im Sperrbezirk mit einem Radius von
drei Kilometern um die Fundorte gibt es rund 20 private
Geflügelhalter mit etwa 150 Tieren. Auf der Ostseeinsel Rügen
setzten Soldaten und Hilfskräfte die Bergung toter Wildvögel
fort; insgesamt sind dort schon 2 800 Kadaver gefunden worden,
wovon aber nur ein kleiner Teil mit H5N1 infiziert war.
In den Fällen vom Wochenende war noch nicht sicher, ob es sich
um die hochgefährliche Variante H5N1/Asia oder um ein weniger
gefährliches H5N1-Virus handelt.
In Frankreich waren 400 Puten im Stall einer Farm an der
Krankheit verendet; der restliche Bestand wurde daraufhin
getötet. Labor-Tests ergaben dem Landwirtschaftsministerium
zufolge, dass das gefundene Virus zu 99 Prozent identisch mit
dem Erreger bei Wildvögeln war, die zuvor in der Nähe entdeckt
worden waren. Nun sollen Untersuchungen klären, wie das Virus
auf die Farm gelangen konnte. Der Betrieb liegt innerhalb der
nach dem Fund der infizierten Wildvögel errichteten Schutzzone.
Unter den dortigen Bauern machten sich Existenzängste breit.
Die Nachrichten könnten der französischen Geflügelwirtschaft
weiter schaden. Schon jetzt sind die Verkaufszahlen von Geflügel
dort um 30 Prozent eingebrochen. Präsident Jacques Chirac rief
seine Landsleute zur Ruhe auf. Ministerpräsident Dominique de
Villepin kündigte ein Hilfspaket im Wert von 52 Mill. Euro an,
das der Geflügelwirtschaft des Landes helfen soll.
Japan hat den Import von französischem Geflügel gestoppt.
EU-Handelskommissar Peter Mandelson sagte dazu in Paris, zwar
verstehe er die Entscheidung, Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten.
"Allerdings müssen diese Schritte auch angemessen sein.
China hat zwei neue Infektionen von Menschen gemeldet und vor
einer "massiven Verbreitung" der Vogelgrippe gewarnt. Das
Gesundheitsministerium in Peking berichtete, ein neunjähriges
Mädchen und eine 26-jährige Bäuerin hätten sich mit dem
gefährlichen Virus infiziert. Beide hätten Kontakt mit
erkranktem Geflügel gehabt. Das H5N1-Virus stammt ursprünglich
aus Asien.
Russland teilte mit, das Virus sei in sechs Provinzen im Süden
aufgetreten. Es sei in Wildvögeln und zum Teil in Nutztieren in
Kabardino-Balkarien, Dagestan, Tschetschenien, Kalmückien,
Krasnodar und Stawropol entdeckt worden. Um welchen Stamm es
sich handelte, wurde nicht bekannt. Seit dem vergangenen Jahr
wurden mehr als eine Million Vögel in Russland geschlachtet, um
die Ausbreitung der Vogelgrippe zu stoppen.
HANDELSBLATT, Sonntag, 26. Februar 2006, 19:59 Uhr