Seehofers Kampf gegen eine falsche Botschaft

Die Vogelgrippe breitet sich weiter nach Westen aus. Die Gesundheitsminister der Länder einigten sich nun darauf, für 20 Prozent der Bevölkerung Medikamente wie Tamiflu und Relenza einzulagern, um gegen eine denkbare Epidemie gewappnet zu sein. Indes plagt Minister Seehofer noch eine ganz andere Sorge.
Seehofer kämpft gegen die Vogelgrippe - und gegen internationale Handelsbeschränkungen, die seit dem Ausbruch der Tierseuche in Deutschland drohen. Auch deshalb, das hatte der CSU-Politiker schon vor Tagen offen bekundet, dröhnen Tornado-Flugzeuge der Bundeswehr über Rügen, sammeln Hunderte Soldaten tote Vögel ein und desinfizieren ABC-Trupps der Bundeswehr Fahrzeuge auf Deutschlands größter Insel.
"Das Wichtigste jetzt ist, dass die Lage auf Rügen in den Griff gebracht wird. Einmal um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern und zum anderen, um zu verhindern, dass es zu Handelseinschränkungen kommt. Denn die Bilder gehen um die Welt", sagte Seehofer. "Deshalb haben wir alles eingeleitet, damit die ausreichende Hilfe durch die Bundeswehr zur Verfügung steht."
Am Donnerstag sah es einige Stunden lang danach aus, dass Seehofers Hoffnung, dass Deutschland international keine schlechten Nachrichten in Sachen Vogelgrippe produziert, sich zerschlägt: Erstmals wurde der Verdacht laut, dass die bislang nur bei Wildvögeln nachgewiesene Tierseuche auf Nutzgeflügel übergegriffen habe.
Quelle für diese Nachricht war ausgerechnet ein Mann, der wie Seehofer nicht müde wird, die Medien vor der Verbreitung unbestätigter Informationen zu warnen: Es war Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD), der einen Journalisten die Information steckte und so eine Recherchelawine in Gang setzte, die Seehofer erzürnte und erst am Nachmittag von Wissenschaftlern mit einer Entwarnung gestoppt werden konnte.
"Ich darf ihnen sagen, was heute im Landwirtschaftministerium bei uns in Berlin stattfand, hat wohl alle Grenzen gesprengt", berichtete ein verärgerter Seehofer am Nachmittag in Schwerin - den Urheber der Meldung an seiner Seite. "Wenn eine Meldung durch die Welt läuft, und es läuft dann über die internationalen Agenturen: es gibt einen Verdacht im Nutztierbestand, glauben sie gar nicht, wie viel Hände wir einsetzen müssen und wie viel Köpfe, damit es nicht zu sofortigen Handelsbeschränkungen weltweit kommt", setzte Seehofer hinzu. "Nichts ist so schädlich, wie Spekulationen, Vorabmeldungen und Befunde, die nicht final sind und nicht seriös sind", schrieb Seehofer - je nach Lesart - den Medien oder dem neben ihm sitzenden Landeskollegen ins Stammbuch.
Die gute Nachricht des Tages durfte dann Backhaus verbreiten: "Wir haben auf der Insel Rügen keinen positiven weiteren Fall. Der Nutztierbestand ist überprüft und wir haben ein negatives Ergebnis, das heißt, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern keinen Fall von positivem Virusnachweis in Nutztiergeflügel", gab er etwas umständlich bekannt. Zu umständlich nach Seehofers Geschmack, um international das richtige Signal zu senden: Der Berliner Minister formulierte sicherheitshalber griffiger: "Wir können hier Entwarnung geben."
Unterdessen ist das bisher auf Vorpommern begrenzte gefährliche Virus H5N1 erstmals in Mecklenburg nachgewiesen worden und damit nach Westen gewandert. Nach Angaben des Landrats von Westmecklenburg, Erhard Bräunig (SPD), handelt es sich bei dem infizierten Vogel um eine Reiherente. Das Tier sei auf der unbewohnten Insel Walfisch gefunden worden. Die der Stadt Wismar vorgelagerte Insel liegt rund 100 Kilometer von Rügen entfernt und ist Vogelschutzgebiet.
Auf Rügen gibt es zudem sechs neue Nachweise von Vogelgrippe bei toten Wildvögeln. Das sagte eine Sprecherin des Landkreises am Donnerstag in Bergen. Damit erhöhte sich die Zahl der Vogelgrippe-Fälle auf der Insel auf 107. Mit dem Fund auf der Insel Walfisch stieg die Zahl der positiv getesteten Wildvögel auf insgesamt 110. Je ein positiv getesteter Vogel waren zuvor in Rügens Nachbarkreisen Nordvorpommern und Ostvorpommern gefunden worden.
Wegen der Gefahr des Einschleppens der Krankheitserreger wurden auf Rügen 18 Kleinstbestände nicht infizierter Nutztiere gekeult, insgesamt 418 Vögel. Im Landkreis Rügen sind derzeit fast 800 Helfer von Bundeswehr, Technischem Hilfwerk, Land und Kreis im Einsatz. Weitere 200 Einsatzkräfte bekämpfen die Ausbreitung der Vogelgrippe in Nord- und Ostvorpommern, Stralsund und Rostock.

HANDELSBLATT, Freitag, 24. Februar 2006, 07:38 Uhr


zurück zur Vogelgrippe-Startseite