Vogelgrippe verdirbt Reiselust
Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe auf Rügen häufen sich die
Anrufe besorgter Gäste. Zu Stornierungen ist es bislang aber
offenbar nur in Einzelfällen gekommen. Dennoch befürchten
Hoteliers und Vermieter von Ferienhäusern einen immensen
Imageschaden für die Region.
Die Tourismusbranche in Mecklenburg-Vorpommern
befürchtet nach dem Ausbruch der Vogelgrippe einen Einbruch
ihres Geschäfts. "Die Menschen haben keine Lust auf
Katastrophenstimmung im Urlaub", sagt Annette Pilgrim, Chefin
eines Hotels in Glowe im Norden der Insel. Georg Heissler, Chef
einer Appartementvermittlung im Ostseebad Göhren im Südosten
Rügens, hat bereits mit "heftigen Einbrüchen" bei der Nachfrage
nach Plätzen in seinen zwei Ferienanlagen zu kämpfen. "Wir haben
viele Stornos für die nächsten drei Monate und sehr wenig
Neubuchungen", sagt er.
Insgesamt berichten Hoteliers und auch die Tourismuszentrale
Rügen, dass sich zwar die Anrufe besorgter Gäste häufen. Zu
Stornierungen sei es aber noch nicht im großen Stile gekommen.
"Die Menschen haben auf Grund der Berichterstattung über die
Vogelgrippe den Eindruck, dass sie sich nicht frei auf der Insel
bewegen können", heißt es bei der Tourismuszentrale in Bergen
auf Rügen. Das führe daher häufig zu Nachfragen. "Wir können die
Menschen aber beruhigen. Nur die direkten Fundorte sind in der
Regel gesperrt und das sind nur wenige Quadratmeter", sagt eine
Mitarbeiterin der Tourismuszentrale. Um einen Teil der Fragen zu
beantworten hat die Tourismuszentrale entsprechende
Informationen auf ihre Internetseite gestellt. Diese seien seit
Anfang der Woche von fast 5 000 Interessierten angeklickt
worden.
Einige Hoteliers erwarten jedoch, dass sich die Situation
verschlimmern wird. Stefan von Heine, Direktor des Hotels
"Ambiance" im Ostseebad Sellin geht davon aus, dass die
Stornierungen zunehmehmen werden: Die Nachfrage werde
nachlassen, "weil die Gäste die Anwesenheit von Militär, THW und
Absperrungen emotional oft nicht verkraften werden", sagt er.
"Die mühsame Aufbauarbeit der letzten Jahrzehnte kann mit einem
Schlag zunichte gemacht werden, sollte Rügen gar zu einem
Katastrophengebiet erklärt werden."
Die großen Reiseveranstalter und Verbände verbreiten dagegen
Gelassenheit: Die Vogelgrippe sei nach wie vor nur eine
Tierseuche, die lokal auftrete, heißt es beim Deutschen
Reiseverband (DRV), der mehr als 80 Prozent der
Reiseveranstalter in Deutschland vertritt. Zu den Auswirkungen
der Vogelgrippe auf das weltweite Geschäft seien noch keine
Prognosen zu machen.
Das Thema Vogelgrippe habe zwar mit dem Auftreten in Deutschland
eine neue Qualität bekommen, doch derzeit seien die Auswirkungen
auf den Tourismus schwer einzuschätzen, heißt es bei Europas
größtem Reiseveranstalter TUI in Hannover. "Da sich die Zahlen
ständig ändern, ist noch nicht zu sagen, ob das mittel- oder
langfristig eine Delle im Geschäft bringen wird", sagte ein
Sprecher. Die Zahl der Umbuchungen und Stornierungen für das
Angebot weltweit liege noch sehr niedrig. Die Vogelgrippe werde
immer wieder von anderen Themen überlagert wie Terroranschlägen
oder dem jüngsten Streit um die Mohammed-Karikaturen.
"Das hat noch keine Auswirkungen", meldet auch die zur
REWE-Gruppe gehörende Dertour in Frankfurt. Der drittgrößte
deutsche Reiseveranstalter hatte nach eigenen Angaben auch für
Reisen nach Asien, wo die Tierseuche schon länger grassiert,
bisher keine nennenswerten Stornierungen zu verzeichnen. "Terror
wird als schlimmer angesehen", sagt ein Sprecherin. "Für die
meisten ist das das Risiko kalkulierbar, solange sie nicht tote
Vögel anfassen."
Bislang ist die Vogelgrippe noch kein Grund für einen
kostenfreien Rücktritt von einer Reise. Nach Angaben von
Reiserechtsexperten gilt das nur, wenn für Länder oder Regionen
eine offizielle Warnung ausgesprochen wird, weil Gefahr für das
Leben der Menschen besteht.
Hoteliers und Vermieter von Ferienwohnungen auf Rügen geben sich
dennoch kulant, wie eine Umfrage ergab, und bieten ihren Gästen
meist kostenfreie Umbuchungen an oder verzichten auf die
Stornogebühren.
Die Ostseeinsel sorgt bereits für die Zeit nach der Vogelgrippe
vor: Mit einer Werbekampagne wollen man dann auf den möglichen
Imageschaden reagieren, sagt Bernd Fischer, Geschäftsführer des
Landestourismusverbandes. Am Freitag treffen sich Vertreter
aller touristischer Regionalverbände, um ein Marketingkonzept
für "die Zeit danach" aufzustellen. Dafür seien zusätzliche
finanzielle Mittel nötig, da die zwei Millionen Euro aus dem
Verbandsetat schon komplett verplant seien.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 22. Februar 2006, 16:45 Uhr