Länder weiten Vorsorgemaßnahmen aus

Die Vogelgrippe weitet sich im Nordosten Deutschlands weiter aus. Das Friedrich-Loeffler-Institut meldete am Dienstag 22 neue Fälle der Tierseuche auf Rügen.
Damit erhöhte sich die Gesamtzahl der positiv auf das Virus H5N1 getesteten toten Tiere in Mecklenburg-Vorpommern auf 103. Landwirtschaftsminister Till Backhaus warnte vor einem wachsenden Ausbreitungsrisiko wegen Tauwetters und des anstehenden Vogelzugs. Die EU-Staaten und die Europäische Kommission konnten sich noch nicht auf eine gemeinsame Haltung zum vorbeugenden Impfen einigen.
Zahlreiche Bundesländer erhöhten ihre Vorsorgemaßnahmen, um im Fall eines Übergreifens auf den Menschen gewappnet zu sein. Hessen kündigte an, seine Vorräte an antiviralen Medikamenten so aufzustocken, dass im Ernstfall 30 Prozent der Bevölkerung versorgt werden können. Bayern und Sachsen wollen ihre Vorratsquote auf 20 Prozent ausbauen. Laut dem Leiter des WHO-Influenza-Programms, Klaus Stöhr, steigt mit der Dauer der Vogelgrippe auch die Gefahr einer Ausbreitung auf Menschen. Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz Gerry Kley schlug vor, der EU ein Verfügungsrecht über einen Teil der deutsche Arzneivorräte zu gewähren, um einen Ausbruch einer von Mensch zu Mensch übertragbaren Epidemie in einem EU-Staat schnell eindämmen zu können.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte mehr Zuständigkeiten für den Bund beim Katastrophenschutz. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, der Bund brauche derzeit nicht zwingend mehr Kompetenzen. Wichtig sei eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, räumte ein, dass es beim Kampf gegen die Seuche im Landkreis Rügen Anlaufschwierigkeiten gegeben habe.
Backhaus sagte, das Risiko steige durch den bevorstehenden Vogelzug und mögliches Tauwetter. Auf Rügen würden in den kommenden Wochen bis zu einer Million Zugvögel erwartet. Zudem zögen sich die Wasservögel ins Binnenland zurück, sobald dort die Seen vom Eis befreit seien.
Die Fußball-Weltmeisterschaft ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht gefährdet. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Gerd Müller sagte, anders lautende Aussagen seien im Augenblick reine Panikmache.
Die deutschen Bauern fürchten eine Übertragung der Vogelgrippe auf Nutztiere und fordern staatliche Entschädigungen. Es müsse "alles unternommen werden, um dies zu verhindern", sagte Verbandspräsident Gerd Sonnleitner. Der Schweriner Landesbauernverband forderte, nicht nur den Wert der getöteten Tiere, sondern auch den Ertragsschaden zu ersetzen.
Laut EU sind neben Deutschland auch Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Slowenien und Ungarn von der Seuche betroffen. Der EU-Ausschuss für Tiergesundheit und die Nahrungsmittelkette vertagte seine Beratungen zum Antrag Frankreichs und der Niederlande, vorbeugend zu impfen. Am (morgigen) Mittwoch soll das Treffen der EU-Experten fortgesetzt werden.

HANDELSBLATT, Dienstag, 21. Februar 2006, 19:32 Uhr


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