Bundeswehr kämpft gegen Vogelgrippe

Zu Wasser, zu Lande und aus der Luft soll die Bundeswehr helfen, die Verbreitung des Vogelgrippevirus von der Insel Rügen aus zu stoppen. Hunderte Soldaten wurden in Marsch gesetzt, sogar Tornado-Jets werden aufgeboten. Fragt sich nur, warum bis zu diesem Großeinsatz so viele Tage vergingen.
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Montag, in der Nacht habe die Bundesregierung beschlossen, weitere 250 Bundeswehr-Soldaten zum Einsatz gegen die Vogelgrippe auf die Insel Rügen abzukommandieren. Die Soldaten sollten die toten Wildvögel auf Deutschlands größter Insel so schnell einsammeln wie möglich. Bereits jetzt habe sich der Vogelgrippevirus weiterverbreitet, weil Aas fressende Vögel sich bei bereits verendeten Tieren angesteckt hätten.
Auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein machen sich unterdessen die Piloten von Tornado-Aufklärungsjets bereit, die Insel zu überfliegen. Sie sollen nach Angaben der Bundeswehr mit Spezialkameras bei der Ortung der Kadaver helfen. "Wegen des Eises an einigen Küstenabschnitten ist das von Land aus mitunter noch recht schwierig", erklärte ein Bundeswehrsprecher in Kiel.
Bereits am Sonntag hatten Bundeswehr-Spezialkräfte von zwei ABC-Abwehreinheiten an drei Punkten auf Rügen so genannte Desinfektionspunkte eingerichtet. Dort werden Fahrzeuge und Passanten über Wannen oder Matten gelenkt, die mit Desinfektionsflüssigkeit getränkt sind; größere Fahrzeuge werden eingesprüht. Damit soll verhindert werden, dass Menschen mit ihren Fahrzeugen oder ihrer Kleidung Erreger an weitere Orte auf dem Festland einschleppen.
Am Rügendamm, der einzigen Land-Zufahrt zur Insel Rügen, sorgen die Desinfizierungsmaßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung der Vogelgrippe für kilometerlange Staus. Autofahrer müssten bei einer aktuellen Staulänge von rund fünf Kilometer mit einer Wartezeit von rund einer Stunde rechnen, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Stralsund am Montagmittag.
Am Sonntag war der auch für Menschen gefährliche Virustyp H5N1 erstmals auch auf dem Festland nachgewiesen worden. In Vorpommern wurden ein toter Bussard und eine Möwe entdeckt, die sich mutmaßlich auf Rügen infizierten. Beide Tiere fressen auch Aas. Inzwischen erhöhte sich die Zahl der bekannten Infektionen auf 81. Bei etwa jedem dritten der rund 250 im nationalen Referenzlabor auf der Ostsee-Insel Riems getesteten toten Tiere hatte sich der Verdacht auf H5N1 bestätigt.
Der schleppende Anlauf von Bergung und Entsorgung der toten Tiere hatte zu massiver Kritik am Krisenmanagement auf Rügen geführt. Erst auf öffentlichen Druck hatte Rügens Landrätin Kerstin Kassner (Linkspartei.PDS) am Sonntag den Katastrophenfall ausgerufen und damit den Weg frei gemacht für den umfangreichen Einsatz der Bundeswehr. Die erste H5N1-Infektion auf der Insel war bereist am Mittwochabend vergangener Woche bekannt geworden.

HANDELSBLATT, Montag, 20. Februar 2006, 12:28 Uhr


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