Katastrophenalarm
Der Wahnsinn hat Methode. Mecklenburg-Vorpommerns
Landwirtschaftsminister Till Backhaus hat die Landrätin der
Insel Rügen, Kerstin Kassner, dazu aufgefordert, wegen der
Vogelgrippe den Katastrophenalarm auszurufen. Erst dann nämlich,
so seine überraschende Begründung, könnten das Technische
Hilfswerk und die Bundeswehr eingesetzt werden, um an der Seuche
verendete Schwäne zu bergen.
Lieber Herr Backhaus, nicht der lange erwartete Ausbruch der
Vogelgrippe auch in Deutschland ist die Katastrophe.
Katastrophal ist, wie die mecklenburgische Landesregierung damit
umgeht. Tagelang hat sie den Landkreis Rügen bei der Beseitigung
der Tierkadaver mit der Begründung im Regen stehen lassen, der
Landkreis sei zuständig, solange das gefährliche H5N1-Virus
nicht außerhalb der Ostseeinsel nachgewiesen sei.
Zuständigkeitswirrwarr auch bei der Vorsorge für den möglichen
Ernstfall, dass der Erreger zu einem von Mensch zu Mensch
übertragbaren Killervirus mutiert: Monatelang stritten die
Länder über einen Pandemieplan des Bundes. Jetzt halten sie sich
nicht daran. Statt des vereinbarten Vorrats an antiviralen
Medikamenten für zwanzig Prozent der Bevölkerung haben viele
Länder nur für zehn Prozent oder weniger geordert. Sie dürfen
das. Denn laut Verfassung darf ihnen die Bundesregierung beim
Seuchenschutz keine Vorschriften machen.
Dumm nur, dass sich das Virus nicht ans Grundgesetz halten will.
Es hat seit dem ersten Ausbruch in Asien Kontinente durchmessen
und wird auch an der Grenze des Landkreises Rügen nicht Halt
machen. Während Agrarminister Horst Seehofer schon nach der EU
ruft, um der illegalen Einfuhr von Geflügel Herr zu werden,
versinken die nationalen Schutzvorkehrungen in föderaler
Kleinstaaterei. Hier ist in der Tat Katastrophenalarm
angebracht!
HANDELSBLATT, Montag, 20. Februar 2006, 11:51 Uhr