Hunderte tote Vögel auf Rügen gesichtet
Die Lage auf Rügen spitzt sich immer mehr zu. Auf der von der
Vogelgrippe erfassten Ostseeinsel ist bei weiteren 28 Wildvögeln
verschiedener Arten das hochansteckende Vogelgrippe-Virus H5N1
nachgewiesen worden. Bei einem Hubschrauberflug wurden zudem
hunderte verendeter Tiere entdeckt. Landwirtschaftsminister Till
Backhaus (SPD) richtete inzwischen ein Amtshilfeersuchen an die
Bundeswehr, die noch am Sonntag darüber entscheiden will. Und
auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält es nicht mehr in
Berlin.
Merkel (CDU) will sich am Sonntagnachmittag
auf Rügen über die Maßnahmen gegen die Vogelgrippe informieren.
Das erfuhr die Deutsche Presse- Agentur am Sonntag in Berlin.
Genauere Informationen lagen zunächst nicht vor. Rügen liegt im
Wahlkreis von Merkel.
Die Fundorte der bislang nachgewiesenermaßen an Vogelgrippe
verendeten Tiere verteilten sich über die gesamte Insel, sagte
Landwirtschaftsminister Backhaus am Samstag in Schwerin. Auf
Grund der neuen Lage habe er ein Amtshilfeersuchen an die
Bundeswehr gerichtet. Sie soll vor allem beim Absperren von
Fundorten und der Ausschilderung von Schutzzonen helfen. Geplant
ist laut Lagezentrum zudem, dass die Bundeswehr
Desinfektionsanlagen an verschiedenen verkehrstechnisch
wichtigen Orten wie dem Rügendamm oder an den Anlegepunkten der
Fähre nach Schweden aufbaut.
Die Zahl der infizierten Vögel auf Rügen ist damit auf 41
gestiegen. Die gesamte Ostseeinsel sei zum Beobachtungsgebiet
erklärt worden, sagte Backhaus. Damit ist dort 15 Tage lang
jeglicher Transport von Geflügel verboten. Die Fundorte der
infizierten Vögel wurden nicht bekannt geben, um
Absperrmaßnahmen nicht zu erschweren. Im Umkreis von drei
Kilometern um die Fundorte gelten Schutzzonen mit strengen
Vorsichtsmaßnahmen auch für Kleinstgeflügelhalter. Den Weg zum
Einsatz der Bundeswehr habe Bundesagrarminister Horst Seehofer
(CSU) geebnet, sagte Backhaus. Rügens Landrätin Kerstin Kassner
(Linkspartei.PDS) habe weiterhin nicht den Katastrophenfall
ausgerufen.
Dabei ist die Lage auf der Insel möglicherweise noch weit
dramatischer. Denn ein Kamerateam des ZDF hat bei einem Flug
über die Insel Rügen mehrere Hundert tote Vögel, vorwiegend
Schwäne, entdeckt. Wie der Sender mitteilte, liegen die Fundorte
an der Südspitze der Halbinsel Bug, zwischen Rügen und der
Halbinsel Ummanz sowie einige hundert Meter entfernt von der
Insel Riems, dem Sitz des Bundesforschungsinstitutes für
Tiergesundheit.
Seehofer sagte, Hubschrauberflüge über die Insel Rügen sollten
in Zukunft unterbleiben. Der Präsident der
Bundesforschungsinstitutes auf Riems, Thomas Mettenleiter, habe
ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die Überflüge Vögel
aufscheuchen und vertreiben könnten. Infizierte Vögel könnten so
das Virus in Regionen bringen, die bislang noch frei von
Vogelgrippe sind. Seehofer war am Samstagvormittag selbst mit
dem Hubschrauber nach Rügen geflogen.
Nach der Ausweitung der Vogelgrippe auf der Insel Rügen forderte
die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern am Sonntag erneut
eindringlich dazu auf, die Schutzmaßnahmen einzuhalten. Um eine
Übertragung des Virus auf Menschen und Nutztiere zu verhindern,
müsse jeglicher Kontakt mit toten oder kranken Wildvögeln
unterbleiben. Absperrungen müssen akzeptiert, Hunde an der Leine
geführt werden. Vogelhäuschen können weiter beschickt werden.
Zudem gelte die Stallpflicht für Hühner, Enten, Gänse, Fasane,
Wachteln und Laufvögel.
Die deutschen Nutzgeflügelbestände seien frei von Geflügelpest,
hieß es. Geflügelfleisch und Eier sollten dennoch vorsorglich
nur gut gekocht oder gebraten verzehrt werden. Das Bürgertelefon
der Landesregierung ist täglich von 8 bis 18 Uhr unter 0385/555-
6665 und -6666 zu erreichen.
Nach Angaben des Lagezentrums ist der Nachweis des auch für den
Menschen gefährlichen H5N1-Virus in Deutschland auf die Insel
Rügen beschränkt. Zwei Blesshühner, bei denen ein Grippevirus
festgestellt worden war, seien nicht an der hoch ansteckenden
Variante erkrankt gewesen.
HANDELSBLATT, Sonntag, 19. Februar 2006, 10:59 Uhr