Vogelgrippe zweifelsfrei in Deutschland
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die bislang drei
H5N1-Vogelgrippe-Fälle von Rügen keine Einzelfälle bleiben
werden. Auf der Ostseeinsel klagen die Behörden, sie kämen mit
der Bergung tot aufgefundener Wildvögel nicht nach.
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) sagte
am Donnerstag im Bundestag, angesichts der Dynamik der
internationalen Ausbreitung der Vogelseuche sei dies zu
erwarten. Zur Stunde würden Experten des Bundesamtes für
Tiergesundheit auf der Insel Riems an der Ostsee 40 weitere tote
Schwäne untersuchen. Mit Ergebnissen rechne er noch im Laufe des
Tages.
Später gab Seehofer im Bundestag bekannt, dass nun endgültig
feststeht, dass die beiden ersten H5N1-Verdachtsfälle - zwei
Schwäne - zweifelsfrei mit der auch für Menschen gefährlichen
Variante des Virus infiziert waren. Es handele sich "um einen
Subtypen, wie er erstmals im letzten Jahr in China bei
Wildvögeln registriert wurde". Bisher sind alle bekannten
Erkrankungen beim Menschen auf den Typ H5N1 zurückzuführen.
Neben den Schwänen war auf Rügen auch ein toter Habicht gefunden
worden, bei dem der Schnelltest auf H5N1 positiv ausfiel.
Nur ein Fahrzeug und vier Mitarbeiter
Die mit der Bergung der toten Vögel befasste Behörde auf Rügen
klagte am Donnerstag, sie sei mit den Folgen des Vogelsterbens
überfordert. Zum Einsammeln der zahlreichen toten Vögel stünden
ihm nur ein Fahrzeug und vier Mitarbeiter zur Verfügung, sagte
Amtsleiter Karl-Heinz Walter. Der Amtsbezirk Nordrügen ist rund
30 Kilometer lang und 20 Kilometer breit. Er hat zahlreiche
Wasserflächen. Nach einem strengen Winter werden auch
normalerweise viele tote Vögel gefunden. Sie müssen nicht
infiziert sein.
Bisher sind auf der Insel 162 tote Schwäne geborgen worden. Nahe
dem Fundort der mit dem Virus H5N1 infizierten Schwäne an der
Wittower Fähre lagen auch am Donnerstagmorgen noch mehrere
verendete Vögel auf dem Eis unweit des Ufers. Die Kadaver waren
laut Augenzeugen weiter frei zugänglich. Walter schätzte, dass
mindestens noch 100 Kadaver zu bergen sind. Der Amtsleiter baut
um die Hilfe des Kreises, des Landes und des Bundes. So könnte
ein Hubschrauber helfen, tote Vögel aus der Luft aufzuspüren.
Schon seit Herbst in Deutschland?
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern geht davon aus,
dass die Vogelgrippe schon vor mehreren Monaten Deutschland
gelangte. Landwirtschaftsminister Till Backhaus sagte, die
infizierten Schwäne von Rügen seien keine Zugvögel. Deshalb gehe
er davon aus, dass das Virus bereits im Herbst eingeschleppt
worden sei. Die Landesregierung sagte zu, zusätzliche Tierärzte
auf die Insel entsenden. Sie sollen die Behörden bei den
Untersuchungen der Geflügelbestände unterstützen. Untersucht
werden Tierbestände in der Nähe der Stellen, an der die
infizierten Tiere gefunden worden waren. In der
Drei-Kilometer-Schutzzone um die Orte Wittower Fähre und Dranske
im Westteil der Insel gibt es allerdings keine gewerblichen,
sondern nur private Geflügelhalter.
Die Schwäne könnten sich nach Einschätzung des Riemser Instituts
bei Wildenten angesteckt haben, die sich wiederum bei Zugvögeln
infiziert haben könnten. Für möglich gehalten wird auch, dass
die Schwäne vor der Kälte in Osteuropa geflohen sind und das
Virus von dort mitgebracht haben.
Ministerium richtet Hotline ein
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat inzwischen eine Hotline
für Bürger eingerichtet. Sie sei von Montag bis Freitag zwischen
9.00 und 17.00 Uhr unter den Telefonnummern 01888-529-4601 oder
-4602,-4603,- 4604,und -4605 erreichbar, teilte das Ministerium
am Donnerstag mit.
Auch in Österreich wurden die Schutzvorkehrungen vor der
Vogelgrippe verstärkt. Nach dem Fund von mindestens drei mit dem
gefährlichen H5N1-Virus infizierten Schwänen in der Steiermark
wurde für Geflügel entlang von Seen und Flüssen Stallpflicht
angeordnet.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 16. Februar 2006, 11:47 Uhr