Auch Habicht mit Vogelgrippe auf Rügen gefunden

Die beiden toten Schwänen auf Rügen, bei denen die gefährliche Vogelgrippe-Variante H5N1 nachgewiesen wurde, stellen offensichtlich keinen Einzelfall dar: Wenige Kilometer Luftlinie entfernt wurde ein toter Habicht entdeckt, bei dem ein Schnelltest ebenfalls die Erkrankung nachwies.
Wie das Landratsamt des Inselkreises am Mittwochnachmittag mitteilte, wurde der Habicht bereits am 5. Februar tot bei Dranske aufgefunden. Dranske liegt etwa fünf Kilometer von der Wittower Fähre entfernt auf der anderen Seite des Wieker Boddens. In der Nähe des Fähranlegers hatten Urlauber am Freitag vier tote Schwäne entdeckt. Bei zwei von ihnen wurde die auch für Menschen gefährliche Vogelgrippe-Variante H5N1 in einem ersten Test nachgewiesen.
Das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit gab unterdessen bekannt, es handele sich bei den toten Tieren von Wittower Fähre um Höckerschwäne. "Diese Art ist ein Standortvogel, der immer hier ist", sagte Sprecherin Elke Reinking. "Uns beschäftigt jetzt die Frage, wo kommt das Virus her?" Die Schwäne könnten sich bei Enten angesteckt haben, die das Virus verstärkt in sich tragen. Denkbar sei aber auch, dass die Schwäne vor der Kälte in den vergangenen Wochen in Osteuropa auf die mildere Insel geflohen seien.
In dem Gebiet der Wittower Fähre sammeln sich nach den Worten des regionalen Vogelkundlers Ullrich Dost, der lange Zeit Artenschutzbeauftragter der Insel Rügen war, in kälteren Wintern bis zu 40 000 Wasservögel der verschiedensten Arten, weil der dort vorbeiziehende Rassower Strom als Verbindung zwischen offener Ostsee und Boddengewässern nur selten zufriert. Hier verendeten geschwächte Tiere in manchen Jahren zu hunderten - so auch in diesem Winter, sagte Dost. Zuvor gefundene und untersuchte Kadaver seien ohne den gefährlichen Befund geblieben. Auch am Mittwoch wurden wieder mehrere tote Schwäne gefunden.
Obwohl ein endgültiger Test noch aussteht, hat das Robert-Koch-Institut keinen Zweifel daran, dass die Schwäne von Rügen mit der Vogelgrippevariante H5N1 infiziert waren. Koch-Chef Reinhard Kurth sagte, das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit habe in der Nacht zum Mittwoch weitere Tests durchgeführt. "Es ist leider so, die Schwäne sind mit H5N1 aus Asien infiziert", sagte Kurth am Mittwoch im ZDF. Daher müsse das für Donnerstag erwartete Ergebnis aus dem EU-Labor in Großbritannien für eine Diagnose nicht abgewartet werden.
Für die Menschen ergebe sich allerdings keine grundsätzlich neue Bedrohungssituation, sagte Kurth. Experten hätten bereits damit gerechnet, dass mit dem Vogelzug im Frühjahr das Virus auch in Westeuropa ankommen werde. Überraschend sei jedoch, dass dies nun so früh geschehen sei. Kurth riet dazu, totes Geflügel nicht anzufassen. Es bestehe aber überhaupt kein Grund zur Zurückhaltung beim Verzehr von Geflügel.
Das Landwirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern hatte bereits am Dienstagabend gemäß den EU-Bestimmungen eine Zehn-Kilometer-Sperrzone um Wittower Fähre eingerichtet, in der eine Stallpflicht für Geflügel gilt. In einer Drei-Kilometer-Zone darf kein Geflügel mehr ge- oder verkauft werden. Nach dem Nachweis im Fall des Habichts von Dranske wurden die beiden Sperrzonen entsprechend erweitert.
Landesagrarminister Till Backhaus (SPD) rief die Geflügelhalter in seinem Bundesland auf, die bundesweit ab Freitag geltende Stallfpflicht für ihre Tiere ab sofort freiwillig einzuhalten. "Wir müssen damit rechnen, dass weitere Fälle auftauchen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch darüber hinaus. Das Geflügel darf nicht an Futter- und Tränkstellen, wo wild lebende Tiere herankommen", sagte Backhaus.
Auch Niedersachsens Agrarminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) rief die Geflügelhalter im Land auf, ihre Tiere ab sofort im Stall zu halten. Die Gesundheitsbehörden in Schweden und Norwegen hatten die Geflügelhaltung im Freien bereits in der Nacht verboten.

HANDELSBLATT, Mittwoch, 15. Februar 2006, 15:21 Uhr


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