Krisentreffen in Brüssel / H5N1 erreicht die Europäische Union
Die Vogelgrippe ist in der Europäischen Union angekommen. Nach
dem Nachweis der Vogelgrippe in Italien und Griechenland sieht
das Bundeslandwirtschaftsministerium aber noch keinen Anlass für
besondere Maßnahmen.
In Italien und Griechenland wurde erstmals der
Vogelgrippe-Erreger H5N1 in toten Wildschwänen nachgewiesen.
Auch in Bulgarien wurde das Virus am Samstag erstmals offiziell
bestätigt. Seuchenexperten der Europäischen Union (EU) wollen
auf einem Krisentreffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel
über Abwehrmaßnahmen gegen das Virus beraten. Behörden in den
betroffenen Ländern versuchten die Ausbreitung des Erregers zu
verhindern. Fachleute halten die Ausbreitung des Erregers für
unwahrscheinlich, da das Virus bei Wild- und nicht bei
Nutztieren entdeckt wurde.
"Wir beobachten die Situation sehr genau", sagte eine Sprecherin
des Bundeslandwirtschaftsministerium am Samstag in Berlin.
Allerdings gebe es keinen Grund für besondere Schutzmaßnahmen
nach dem erstmaligen Ausbruch der auch Menschen gefährlichen
Seuchenvariante in Ländern der Europäischen Union. Sie verwies
darauf, dass mögliche Einschränkungen für den Geflügelimport
Sache der EU seien. Außerdem sei das auch für Menschen
gefährliche Vogelgrippevirus vom Typ H5N1 bei Wildgeflügel und
nicht Nutzgeflügel entdeckt worden. Wenn das Auftauchen der
Vogelgrippe jedoch immer näher an deutsches Staatsgebiet rücke,
werde über ein Vorziehen der Pflicht zum Halten von Geflügel in
Ställen nachgedacht, sagte die Sprecherin. Ressortchef Horst
Seehofer hat bereits angekündigt, dass ab 1. März Nutzgeflügel
für mindestens zwei Monate in Ställen gehalten werden muss, um
Ansteckungen über Wildtiere während des Vogelzugs vorzubeugen.
Nach Angaben der EU-Kommission will die italienische Regierung
Sicherheitszonen um die Seuchenherde schaffen. Im Umkreis von
drei Kilometern muss Geflügel in den Ställen bleiben. Im Radius
von zehn Kilometern müssen Hygienemaßnahmen eingehalten werden.
Die Vorschriften gelten zunächst für 21 Tage. Die Kommission
hatte am Freitag dieselben Vorgaben für Griechenland
beschlossen.
In Italien löste die Nachricht vom Nachweis des
Vogelgrippe-Virus H5N1 im Süden des Landes Besorgnis aus.
Experten versuchten die Menschen zu beruhigen: Eine Ausbreitung
des Virus in Italien sei unwahrscheinlich, da der Erreger in
toten Wildtieren und nicht in Zuchttieren gefunden wurde.
Hühnerfleisch könne unbesorgt verzehrt werden, betonte
Gesundheitsminister Francesco Storace. In Sizilien, Kalabrien
und Apulien waren 21 tote Schwäne gefunden worden. Fünf waren
mit dem gefährlichen H5N1-Virus infiziert, wie am Samstag
bekannt geworden war. Wahrscheinlich seien die Tiere wegen der
Kälte in den Balkanstaaten nach Italien geflogen.
In Griechenland verschärften die Behörden nach dem Fund von drei
toten Schwänen mit dem Virus H5N1 nahe Thessaloniki die
Schutzmaßnahmen. "Jetzt ist es von entscheidender Bedeutung die
Infektion von Hühnern und anderen Hausvögeln abzuwenden", sagte
der griechische Gesundheitsminister Nikitas Kaklamanis im
Rundfunk.
Bulgarien hat am Sonntag Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des
Vogelgrippevirus H5N1 verstärkt, nachdem der Erreger in einem
toten Schwan bestätigt worden war. Die Situation sei ein Test
dafür, wie Bulgarien den Schutz vor der Ausbreitung der
Vogelgrippe in Einklang mit den EU-Normen gewährleisten könne,
sagte die bulgarische Europaministerin Meglna Kunewa. Die
EU-Kommission kündigte für Bulgarien ein Importverbot von
Geflügelprodukten an.
In Slowenien gibt es einen Verdachtsfall auf die gefährliche
Vogelgrippe. Wie die EU-Kommission am Sonntag in Brüssel
mitteilte, starb ein Schwan an dem H5-Virus. Ob das Tier an dem
H5N1-Virus einging, werde im EU-Labor in Weybridge bei London
geklärt. Die Bundesregierung erwartet keine
Handelsbeschränkungen mit den betroffenen Ländern. "Wir gehen
davon aus, dass es sich um ein lokales Phänomen handelt", sagte
eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums der dpa.
Berlin und Paris wollen in den nächsten Tagen Experten nach
Nigeria und möglicherweise in die Nachbarländer schicken, um
internationale Organisationen im Kampf gegen die Vogelgrippe zu
unterstützen. Das teilte der französische Außenminister Philippe
Douste-Blazy am Samstag in Paris mit. In Nigeria war am 8.
Februar der gefährliche Erreger H5N1 erstmals aufgetreten.
Die Finanzminister der G8-Industriestaaten warnten bei ihrem
Treffen in Moskau vor einem weltweiten Ausbreiten der
Vogelgrippe. Internationale Finanzorganisationen müssten den
ärmsten betroffenen Ländern im Kampf gegen den Erreger helfen,
forderten die Minister am Samstag.
Der für Tiergesundheit zuständige Direktor der
Welternährungsorganisation FAO, Samuel Jutzi, kündigte die
Eindämmung des in Nigeria ausgebrochenen Vogelgrippe-Virus an.
In Afrika sollten Laboratorien zur Schnellanalyse errichtet
werden, um die Routen der Zugvögel und den Verlauf der Krankheit
zu verfolgen, sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus".
In China und Indonesien fielen erneut drei Menschen der
Vogelgrippe zum Opfer. Nach Regierungsangaben vom Samstag starb
in der chinesischen Provinz Hunan eine 20-Jährige an dem
gefährlichen Virustyp H5N1. Sie sei die achte Vogelgrippetote in
China gewesen. Die Behörden in Indonesien meldeten am Samstag
den Tod einer 27- jährigen Frau und eines 23-jährigen Mannes.
Sollte die WHO das bestätigen, wären in Indonesien 19 Menschen
an Vogelgrippe gestorben. Weltweit erlagen bislang mehr als 80
Menschen der Krankheit. Am stärksten betroffen ist Vietnam, wo
seit Ausbruch der Seuche Ende 2003 mehr als 40 Menschen an dem
Virus starben.
HANDELSBLATT, Sonntag, 12. Februar 2006, 15:40 Uhr