Internationale Geberkonferenz: Mit Milliarden gegen Vogelgrippe

Die Welt rüstet sich gegen die Vogelgrippe. Angesichts der drohenden Gefahr einer globalen Epidemie mit Millionen Toten riefen die Teilnehmer der internationalen Geberkonferenz in einer "Pekinger Erklärung" zu einem "koordinierten, schnellen und entschlossenen" Vorgehen auf. Motor soll eine große Menge Geld sein.
Überraschend mobilisierte die Konferenz in Peking mit 1,9 Milliarden US-Dollar (1,57 Milliarden Euro) am Mittwoch 400 Millionen Dollar mehr als erwartet. UN-Generalsekretär Kofi Annan appellierte in einer Botschaft an die 700 Delegierten von 90 Staaten und mehr als 20 Organisationen: "Es darf keine Zeit verschwendet werden." Die Bundesregierung stellt bis 2008 mindestens 26 Millionen Euro zur Verfügung.
Agrarminister Horst Seehofer (CSU) will den Kampf gegen die Vogelgrippe in der EU verschärfen. "Kein Staat dieser Erde kann diese schlimme Tierseuche alleine bekämpfen", sagte Seehofer in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Die größte Gefahr gehe weiter von der illegalen Einfuhr von Geflügel, Geflügelprodukten und Vögeln aus betroffenen Gebieten aus. Seehofer hatte mit den Bundesländern in der vergangenen Woche ein Aktionsprogramm beschlossen, das schärfere Kontrollen auf Flughäfen und Straßen vorsieht. Über eine erneute Stallpflicht will er Ende Januar entscheiden. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts überquert ein Viertel der Zugvögel im Frühjahr die westliche Türkei.
Erstmals wurde ein Vogelgrippe-Verdachtsfall auch aus dem Irak gemeldet. Im Norden des Landes starb eine junge Frau, die möglicherweise mit Vogelgrippe infiziert war, wie ein Beamter der regionalen Gesundheitsbehörde bestätigte. Der Tod der Frau aus Rania bei Suleimanija werde untersucht. In dem Dorf an der Grenze zur Türkei wurden alle Vögel getötet. In der Osttürkei waren vier Kinder an dem aggressiven Virus H5N1 gestorben.
In der Türkei sind inzwischen in 13 der 81 Provinzen insgesamt 24 Infektionsherde nachgewiesen worden. In 20 weiteren Provinzen gebe es Verdachtsfälle, teilte das Koordinationszentrum zur Bekämpfung der Vogelgrippe in Ankara mit. Nach offiziellen Angaben infizierten sich in dem Land bislang 21 Menschen mit der Tierseuche. Weltweit registriert die Weltgesundheitsorganisation WHO rund 150 Vogelgrippefälle bei Menschen, etwa 80 dieser Patienten sind gestorben.
Für UN-Chefkoordinator David Nabarro zeigt das Ergebnis der Pekinger Konferenz, "dass die Welt die Notwendigkeit, sich gegen Vogelgrippe zu wappnen, ernst nimmt". Der europäische Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, Markos Kyprianou, sprach von einem "bedeutenden Erfolg". In der "Pekinger Erklärung" sagen die Staaten die Erstellung nationaler Aktionspläne, Vorbeugung und Vorbereitungen für den Notfall zu. Informationen über Infektionen sollen rasch ausgetauscht werden.
Die Konferenz warnte, das Virus H5N1 könne sich verändern und zu einer Pandemie unter Menschen führen. "Es ist nur eine Frage der Zeit", mahnte WHO-Direktor Jong Wook Lee. "Wir waren noch nie mit einer solchen Bedrohung globalen Ausmaßes konfrontiert", sagte EU- Kommissar Kyprianou. Die Konferenz war gemeinsam von der Weltbank, der Europäischen Union und Chinas Regierung organisiert worden. Zu der Milliardenhilfe sagte Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz: "Es ist eine kleine Summe im Vergleich zu dem Schaden, wenn wir es nicht schaffen, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern." Die Weltbank zitiert Schätzungen von Experten, wonach eine Pandemie zwischen 2 und 50 Millionen Menschen das Leben kosten könnte. In den reichen Staaten müsse mit 280 000 bis 650 000 Toten gerechnet werden.
Bei den Finanzzusagen gab die Weltbank vorweg 500 Millionen Dollar. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sagten auf der Konferenz weitere 250 Millionen Dollar zu. Die USA gaben 334 Millionen, Japan 135 Millionen und Russland 44 Millionen Dollar.
Der bayerische Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) will die Krankenkassen stärker für die Kosten zur Vogelgrippevorsorge bei Menschen heranziehen. Die Kassen seien in der Pflicht, sagte er im Bayerischen Fernsehen.
Der Ausbruch der Vogelgrippe wirft auch einen Schatten auf den Türkei-Tourismus. Deutsche Reiseveranstalter verzeichnen einen leichten Buchungsrückgang, ergab am Mittwoch eine Umfrage. Ein Sprecher des Branchenriesen TUI in Hannover sagte, es gebe "verhaltenere Buchungen" und eine "gedämpfte Entwicklung" seit Mitte vergangener Woche.

HANDELSBLATT, Mittwoch, 18. Januar 2006, 21:56 Uhr


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