Vögel dürfen zur "Grünen Woche"
Am Freitag beginnt mit der "Grünen Woche" in Berlin die größte
Landwirtschaftsmesse im Land. Mit dabei ist das Geflügel, tot
oder lebendig. Doch es herrschen besondere Vorsichtsmaßnahmen.
Ansonsten zeigt sich die Branche unbeeindruckt von der Seuche.
Lediglich 20 bis 25 Stück Rassegeflügel und einige
Papageien sollten dem Publikum auf der am Freitag beginnenden
Leistungsschau der Agrarwirtschaft vorgeführt werden. Jedes Tier
werde einzeln untersucht, bevor es auf dem Messegelände
zugelassen werde, sagte Messedirektor Karel Heijs am Mittwoch in
Berlin. Geflügel aus Gebieten, wo die Vogelgrippe ausgebrochen
sei, werde nicht ausgestellt. Besonders scharf kontrolliert
würden auch die Geflügelwaren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat von den Veranstaltern
besondere Vorsicht gegen die Vogelgrippe verlangt. Strenge
Kontrollen von Menschen und Tieren seien sinnvoll, um eine
mögliche Ausbreitung der Seuche auf der Publikumsmesse zu
verhindern, sagte der Leiter des Influenza-Programms der WHO,
Klaus Stöhr, im RBB-Inforadio.
Bei der Grüne Woche präsentieren 1639 Aussteller aus 53 Länder
bis zum Sonntag in einer Woche Produkte der Agrar- und
Ernährungswirtschaft. Kurzzeitig war in Erwägung gezogen worden,
wegen der sich ausbreitenden Vogelgrippe alles lebende Geflügel
und Geflügelprodukte von der Messe zu verbannen.
Was für die Messeorganisatoren abgeschlossen ist, beschäftigt
die Politik weiterhin. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer
und seine Länderkollegen sind am Mittwoch in Berlin zu
Beratungen über weitere Schutzmaßnahmen gegen die Vogelgrippe
zusammengekommen. Nach Seehofers Worten wird
"höchstwahrscheinlich" erneut angeordnet, dass das Geflügel in
den Stall muss. Gleiches hatte die Politik schon beim Vogelzug
im Herbst angeordnet.
Derzeit entscheidender für das Risiko einer Übertragung der
Tierseuche sei aber der illegale Import von Geflügel und
Produkten aus den befallenen Regionen, sagte der Minister. Daher
beraten er und seine Länderkollegen auch über die Koordination
von Importkontrollen.
Angesichts des immer näher rückenden Erregers hatten bereits zum
Wochenbeginn zahlreiche Bundesländer ihre Kontrollen von
Reisenden aus den Gefahrengebieten verschärft. In der EU wird
Deutschland nach den Worten Seehofers darauf dringen, dass die
Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt werden. Wenn in
Deutschland illegal eingeführte Geflügelprodukte beschlagnahmt
würden, deute das darauf hin, dass an den Außengrenzen zu wenig
kontrolliert werde.
Die Ernährungsbranche insgesamt leidet nicht allzu sehr unter
der Vogelgrippe. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung zeigten
sich die Unternehmen zufrieden. Die Bundesvereinigung der
Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sieht Hersteller und
Verarbeiter von Lebensmitteln auf einem gebremsten
Wachstumskurs. "Wir rechnen mit einem Zuwachs des Gesamtumsatzes
von höchstens 2 Prozent in 2006", sagte der BVE-Vorsitzende
Jürgen Abraham am Mittwoch im Vorfeld der "Grünen Woche". Im
vergangenen Jahr setzte die Industrie laut Verband 134,5 Mrd.
Euro um, 3,3 Prozent mehr als 2004. Vor allem das Exportplus von
gut 7 Prozent auf knapp 30 Mrd. Euro hat die Branche beflügelt.
Im Inland leiden die Hersteller nach eigenen Angaben wie andere
Teile der Wirtschaft auch unter der Konsumflaute. Zudem würden
die Margen der 5900 Betriebe durch die gestiegenen Energiepreise
gedrückt, sagte Abraham. Die höheren Kosten könnten angesichts
das hart umkämpften Lebensmittelmarktes nur in geringem Umfang
weiter gegeben werden.
Große Hoffnungen setzen die Landwirte in erneuerbare Energien.
"Zu 61 Prozent stammt diese erneuerbare Energie aus Biomasse,
also aus Produkten unserer Land- und Forstwirtschaft", sagte der
Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Gerd Sonnleitner.
In den kommenden zehn bis 15 Jahren werde der Anteil der
Bioenergie am Primärenergieaufkommen auf 15 Prozent steigen.
Traditionellerweise wird auf der "Grünen Woche" auch die
Agrarpolitik debattiert. In diesem Bereich hatte zuletzt die
Ankündigung von Landwirtschaftsminister Seehofer für Aufregung
gesorgt, die Haftungsregeln beim Anbau von Pflanzen mit
veränderter Erbsubstanz zu lockern. Die
Umweltschutz-Organisation Greenpeace warf Seehofer im Vorfeld
der Messe eine Rolle rückwärts zu längst veralteten Konzepten
vor. Der schrankenlose Anbau von Gen-Pflanzen solle ohne
Rücksicht auf die Risiken gefördert werden.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Januar 2006, 16:10 Uhr