Vogelgrippe in Türkei alarmiert Berlin
Die Vogelgrippe rückt immer näher in Richtung Mitteleuropa,
daher wappnet sich auch Deutschland verstärkt gegen die Seuche.
Kanzlerin Angela Merkel kündigte am Dienstag ein energisches
Vorgehen ihrer Regierung an, das mit den Bundesländern
koordiniert werden soll.
Das Kabinett habe in seiner Klausur in Genshagen nahe Berlin
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer und dessen
Länderkollegen gebeten, "alle erdenklichen Maßnahmen
zu ergreifen, um Infektionsfälle in Deutschland nicht aufkommen
zu lassen", sagte Merkel. Zuvor war bekannt geworden, dass in
einem türkischen Touristengebiet am Mittelmeer vier Menschen mit
Verdacht auf Vogelgrippe in ein Krankenhaus eingeliefert wurden.
Die jüngsten Fälle in der Türkei können nach Darstellung der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) relativ leicht kontrolliert
werden.
Bei den Schutzmaßnahmen in Deutschland geht Merkel zufolge
vorrangig darum, die illegale Einfuhr von Geflügel und
Geflügelprodukten zu verhindern. Nach Angaben aus dem
Verbraucherschutzministerium plant die Regierung eine
Deklarationspflicht, bei der Einreisende schriftlich erklären
müssen, dass sie keine verbotenen Tierprodukte einführten. Als
zunehmend wahrscheinlich gilt zudem, dass mit dem Einsetzen des
Vogelflugs in den kommenden Wochen erneut eine Stallpflicht für
heimisches Geflügel verhängt wird.
Am Mittwoch will sich Seehofer mit Länderkollegen in Berlin
treffen, um über weitere Maßnahmen und Kontrollen zu beraten.
"Im Augenblick gehe ich davon aus, dass die Stallpflicht im
Februar oder März dieses Jahres, wenn die Zugvögel aus ihren
Winterquartieren zurückkommen, erneuert wird", sagte der
Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Gert Lindemann,
der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Zwar hätten Fachleute
bestätigt, dass die Vögel auf ihrem Rückflug weniger Rast
machten, ihre Exkremente stellten aber dennoch ein Risiko dar.
Seehofer hatte zuvor versichert, bei der geringsten Gefahr werde
er nicht zögern, erneut eine Stallpflicht anzuordnen.
Der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für
Tiergesundheit, Thomas Mettenleiter, begrüßte die geplante
Deklarationspflicht für Reisende. Es ist nicht gestattet, aus
Ländern, in denen die Geflügelpest aufgetreten ist, lebendes
Geflügel, Fleisch, Eier und andere Geflügelprodukte sowie Federn
oder unbehandelte Jagdtrophäen in Staaten der Europäischen Union
einzuführen.
Bei einem fünften Patienten in der türkischen Provinz Sivas
wurde laut Fernsehsender CNN Türk eine Vogelgrippe-Infektion
nachgewiesen. Damit wären 15 Infektionen bei Menschen in der
Türkei nachgewiesen. Eingeschlossen sind die drei an der
gefährlichen Virusvariante H5N1 gestorbenen Kinder aus der
Osttürkei. Bei mehr als 70 Menschen gibt es einen Verdacht auf
Vogelgrippe. In Deutschland reagierten umgehend die
Aktienmärkte. Die Kurse des Tourismusunternehmens TUI und der
Lufthansa gaben deutlich nach. Der Tourismus ist für die Türkei
eine wichtige Einnahmequelle.
Ein Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der
Türkei ging davon aus, dass die Vogelgrippe in dem Land "relativ
leicht" unter Kontrolle gebracht werden könne. Tests deuteten
darauf hin, dass das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragen
werde. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan erklärte,
die Vogelgrippe sei unter Kontrolle. Die Situation werde weiter
genau beobachtet.
Offiziellen Angaben zufolge starben in den vergangenen Tagen
drei Menschen in der Türkei an der Vogelgrippe, 15 infizierten
sich insgesamt. Weltweit sind seit 2003 nachweislich 76 Menschen
an der Krankheit gestorben. Die türkischen Behörden bemühen
sich, die Ausbreitung der Krankheit durch Massentötungen von
Geflügel einzudämmen. In den Außenbezirken der Großstädte Ankara
und Istanbul wurden ganze Viertel abgesperrt und die dort
gehaltenen Tiere getötet. Viele Menschen kommen verunsichert in
die Krankenhäuser und zu Ärzten, um sich testen zu lassen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 10. Januar 2006, 18:00 Uhr