Thailand meldet 13. Toten
In Thailand ist offiziellen Angaben zufolge ein weiterer
Mensch an der Vogelgrippe gestorben. Damit stieg die Zahl der
Todesopfer in dem Land auf 13. In Deutschland wird unterdessen
von einem mäßigen bis hohen Einschleppungsrisiko für die
Seuche ausgegangen. Die EU spielt bereits den Ausbruch einer
gefährlichen Grippe-Epidemie in einer Simulation durch.
BANGKOK. Bei dem Mann aus der westlichen Provinz
Kanchanaburi sei das aggressive Virus H5N1 nachgewiesen
worden, teilte Regierungschef Thaksin Shinawatra am Donnerstag
mit. Die betroffene Region liegt rund 100 Kilometer westlich
der Hauptstadt Bangkok. Zuletzt war vor rund einem Jahr ein
Mensch in Thailand an der Krankheit gestorben, die Ende 2003
ausgebrochen war.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörden hatte der 48 Jahre alte
Mann Kampfhähne gezüchtet und eines der Tiere gegessen, bevor
er an der Vogelgrippe erkrankte. Sein Sohn zeige ebenfalls
typische Symptome der Krankheit. Bislang seien Tests auf das
Virus bei dem Sohn aber negativ ausgefallen. Andere
Familienmitglieder seien indes für 21 Tage unter Quarantäne
gestellt worden und würden beobachtet, hieß es weiter. Der
Heimatbezirk des Todesopfers liegt nahe der Gegend, in der die
Vogelgrippe in Thailand erstmals aufgetreten war.
Regierungschef Thaksin rief die Bevölkerung auf, Ruhe zu
bewahren. Das Geflügel in der betroffenen Region werde
getötet. 21 der insgesamt 76 Provinzen Thailands stehen wegen
der Vogelgrippe derzeit unter Quarantäne oder werden genau
beobachtet. Insbesondere in Südostasien leben Enten, Hühner,
Schweine und Menschen oft auf engstem Raum. Außerhalb der
Zentren größerer Städte ist es in zahlreichen Ländern der
Region üblich, dass Familien mehrere Stück Federvieh für den
eigenen Gebrauch halten.
Unterdessen haben auch die Behörden Taiwans die ersten Fälle
von Vogelgrippe bei Geflügel in dem Inselstaat gemeldet. Die
betroffenen Tiere hätten sich auf einem in Panama
registrierten Frachter befunden, der am 14. Oktober von der
taiwanischen Küstenwache gestoppt worden sei, teilte die
Landwirtschaftskommission in Taipeh am Donnerstag mit. Die
Vögel seien dann als Träger des gefährlichen H5N1-Virus
identifiziert worden.
Asien ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) dabei, den Kampf gegen die Vogelgrippe zu verlieren.
"Alle Versuche, sie in Südostasien auszumerzen und unter
Kontrolle zu bringen, sind fehlgeschlagen", sagte der
WHO-Direktor für die Region West-Pazifik, Shigeru Omi, Ende
September in der philippinischen Hauptstadt Manila. "Ihre
Ausbreitung ist nun gewaltig und reicht von Südostasien bis
hin an die Türschwelle Europas." Man habe viel mehr Schlachten
gegen die Viruskrankheit verloren als gewonnen.
Seit Ausbruch der Vogelgrippe Ende 2003 wurden in Asien
mehrere zehn Millionen Stück Federvieh aus Vorsorgegründen
notgeschlachtet oder verendeten. In Ländern, in denen Menschen
sehr eng mit Geflügel zusammenleben, sind laut WHO seit Ende
2003 rund 120 Menschen erkrankt und mehr als 60 davon
gestorben. Wie tödlich die Krankheit insgesamt ist, kann nicht
geschätzt werden, weil Menschen mit leichten Formen in Asien
nur selten zum Arzt gehen.
In Thailand ist auch bei Spatzen und Kampfhähnen schon die
Vogelgrippe nachgewiesen worden. Labortests hätten den Erreger
bei Sperlingen in der Provinz Ratchaburi, rund 100 Kilometer
südwestlich der Hauptstadt Bangkok, am Montag identifiziert,
teilten die Gesundheitsbehörden am Dienstag mit. Es gab keine
Angaben darüber, ob es sich um den besonders gefährlichen
Virus-Subtyp H5N1 handelt.
Nach der Internationalen Organisation für Tiergesundheit (OIE)
hat jedoch auch die französische Veterinärexpertin Jeanne
Brugère-Picoux vor einer Hysterie wegen der Vogelgrippe
gewarnt. Unangebracht seien nun Warnungen vor Asienreisen
wegen des Virus, "wenn man gleichzeitig weiß, dass die von
Mücken übertragene japanische Hirnhautentzündung jedes Jahr
10 000 Menschen tötet und seit Ende Juli in Nordindien 1050
Menschen einer Epidemie erlegen sind", sagte das Mitglied der
französischen Akademie für Medizin und Veterinärmedizin der
Pariser Zeitung "France Soir".
Mäßiges bis hohes Einschlepprisiko
Deutschland hat wegen der Vogelgrippe ein bundesweites
Freilaufverbot für Geflügel verhängt. Auslöser war der erste
Nachweis des gefährlichen Erregers H5N1 im europäischen Teil
Russlands. Aus dem Gebiet südlich von Moskau gibt es
Zugvogelrouten nach Deutschland. Bundesverbraucherminister
Jürgen Trittin (Grüne) erließ am Mittwoch eine entsprechende
Eilverordnung.
Geflügelhalter, die ihre Tiere trotz der generellen
Stallpflicht weiter frei laufen lassen, müssen in Bayern von
der kommenden Woche an mit Strafen von mindestens 100 Euro
rechnen. Außerdem drohe ein Abtransport der jeweiligen
Geflügelbestände, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums.
Auch Österreich hat ein landesweites Freilaufverbot für
Geflügel verhängt.
Das Bundesinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems geht
von einem mäßigen bis hohen Einschleppungsrisiko für die
Vogelgrippe nach Deutschland aus. Der Höhepunkt des
Herbstzuges vom europäischen Teil Russlands nach Mitteleuropa
sei vor allem für Wasservögel in der zweiten Oktoberhälfte
generell überschritten, teilte das Friedrich-Loeffler-Institut
am Mittwoch mit. Allerdings zögen noch verstärkt Wildgänse und
Schwäne aus dem von der Vogelgrippe betroffenen Gebiet nach
Westen. Bei seiner Bewertung stützt sich das Institut auf
Daten verschiedener Vogelbeobachtungsstationen.
Trittin ist jedoch gegen das Impfen von deutschem Geflügel zum
Schutz vor der Vogelgrippe. Beim Impfen habe man ein Problem,
sagte Trittin am Donnerstag in der ARD: "Sie können nicht mehr
unterscheiden zwischen einem kranken und einem geimpften Tier.
Das produziert den gleichen Antikörper." Man brauche einen
Impfstoff, der gentechnisch so verändert sei, dass man nach
der Impfung eine Unterscheidung zwischen den Tieren vornehmen
könne. Die Krankheit könne sich sonst "unter der Impfdecke"
weiterverbreiten.
Außerdem seien bei einer Impfaktion "Vereinbarungen mit den
wichtigen Handelspartnern" notwendig, "die eine solche
Unterscheidung auch akzeptieren". Bei früheren Ausbrüchen von
Tierseuchen wurde zuweilen nicht oder zurückhaltend geimpft,
weil andere Länder mit Importstopp drohten.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner,
forderte dagegen ein Umdenken in der Seuchenbekämpfung.
"Impfen statt Töten", sagte er am Donnerstag in der ARD. "Da
brauchen wir andere Rechtsverordnungen (...), damit auch die
Wirtschaft Impfstoffe mit Markern bringt."
EU simuliert Grippe-Pandemie am Computer
Die EU spielt derweil den Ausbruch einer gefährlichen
Grippe-Epidemie in einer groß angelegten Computersimulation
durch. Sie will die möglichen richtigen wie mangelhaften
Reaktionen in den Ländern der EU erkennen. Für die
Koordinierung der Notfallübung "Common Ground" ist die
britische Behörde für Gesundheitsschutz zuständig, wie die
Nachrichtenagentur PA am Donnerstag berichtete. Großbritannien
hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Bei der PC-Simulation geht es vor allem darum, die Fähigkeit
nationaler und regionaler Dienststellen zur Krisenreaktion zu
stärken. Den Teilnehmern sollen simulierte
Katastrophenwarnungen nicht zuvor angekündigt werden, damit
Lücken und Fehler bei den Reaktionen auf die Alarmauslösung
möglichst realistisch erfasst werden können, hieß es bei der
britischen Health Protection Agency.
Unterdessen trafen Gesundheitsminister und Seuchenexperten der
EU- Staaten zu einem informellen Treffen in Chandler's Cross
unweit von London ein. Die zweitägigen Gespräche waren lange
vor den jüngsten Vogelgrippe-Fällen im Rahmen der
routinemäßigen EU-Konsultationen vereinbart worden. Sie
sollten sich nun aber vor allem mit der Gefahr einer
Grippe-Katastrophe beschäftigen. Die britische
Gesundheitsministerin Patricia Hewitt kündigte für den späten
Donnerstagabend eine Pressekonferenz zur Vogelgrippe mit ihren
EU- Kollegen und EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou an.
Viele Experten befürchten, dass sich das Vogelgrippevirus oder
ein anderes Grippe-Virus genetisch verändert und dann eine
weltweite extrem gefährliche Epidemie folgt. Dies war im
vergangenen Jahrhundert drei Mal geschehen, unter anderem im
Fall der Spanischen Grippe 1918.
Das Gesundheitsministerium in London schätzt, dass im Falle
des Ausbruchs einer solchen Pandemie jeder vierte britische
Bürger - rund 15 Millionen Menschen - angesteckt wird. Der
oberste Gesundheitsbeamte des Königreichs, der Chief Medical
Officer Sir Liam Donaldson, bekräftigte seine umstrittene
Voraussage, dass eine Pandemie "unvermeidlich" sei. Die Frage
sei nur, wann sie ausbreche, erklärte Donaldson. Er rechne
damit allerdings noch nicht für den bevorstehenden Winter.
Nach seinen Schätzungen Angaben müsste allein in
Großbritannien bei einer Pandemie mit 50 000 Grippe-Toten
gerechnet werden.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 20. Oktober 2005, 11:30 Uhr