Vogelgrippe erreicht Griechenland
Nun wurde auch in Griechenland der erste Fall von Vogelgrippe
bestätigt. Unklar ist aber, ob es sich dabei um den ebenfalls
für Menschen tödlichen Virus-Typ H5N1 handelt. Einige Experten
befürchten bereits eine Epidemie. Unterdessen sieht die WHO in
Europa kaum Gesundheitsrisiken.
ATHEN. Experten der Universität Athen haben Antikörper
gegen den Typ H5 bei einem Truthahn festgestellt. Das
berichtete das staatliche griechische Fernsehen (NET) unter
Berufung auf das Landwirtschaftsministerium in Athen am
Montag. Die Proben stammen aus der kleinen Ostägäisinsel
Oinousses, die nur rund zwei Kilometer vor der türkischen
Küste liegt. Dort hatte ein Bauer, der rund 20 Truthühner
züchtete, bereits am 13. Oktober festgestellt, dass die Vögel
sich "eigenartig bewegten," hieß es im Rundfunk. Als neun
davon starben, alarmierte er die Gesundheitsbehörden. Bislang
haben die Behörden bei einem dieser Vögel das Virus H5
festgestellt.
Experten sagten im Fernsehen, dass es nachdem das Virus der
Vogelgrippe in Rumänien und in der Türkei isoliert worden ist,
nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die Vogelgrippe auch in
Griechenland erscheint. "Es handelt sich nämlich um die
gleichen Zugvögel, die sich in der gesamten Region bewegen.
Der Balkan ist die Hauptregion durch die sich diese Zugvögel
bewegen," sagte ein Tierarzt im Fernsehen am Montag.
Endgültige Erkenntnisse werde es in den nächsten Tagen geben,
da Griechenland Proben zum Speziallabor der EU geschickt habe,
hieß es. Auf der Insel Oinousses habe bereits die Tötung aller
Hausvögel begonnen. Parallel wurde die Ortschaft unter
Quarantäne gestellt, berichtete das staatliche Fernsehen
weiter.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht derzeit allerdings
keine aktuelle Gefahr für die Bevölkerung Europas durch die
Vogelgrippe. "Es ist eine Tierkrankheit, auch eine Gefahr über
das Essen besteht nicht", sagte der für die Früherkennung von
Epidemien und Pandemien zuständige WHO-Direktor Michael Ryan
am Montag in Genf. So gehe derzeit keine Gefahr von gekochtem
Geflügelfleisch aus. "Es handelt sich um eine
Geflügel-Krankheit, die hauptsächlich in Asien auftritt und
sich dort auch stark ausbreitet", sagte Ryan. Und obwohl dort
viel mehr Menschen mit Geflügel in Kontakt kämen als in
Europa, gebe es dort nur etwas mehr als 100 Erkrankungsfälle.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Kurth, hält
es jedoch für wahrscheinlich, dass bei Ausbruch einer
Vogelgrippe-Epidemie 30 % der Bevölkerung infiziert werden
könnte. Er verwies am Montag in Berlin darauf, dass Experten
eine Gefahr für das nächste Frühjahr sehen, wenn die Zugvögel
zurückkommen. Dass die Länder für rund 10 % der Bevölkerung
das Grippemittel Tamiflu vorrätig haben, hält Kurth außerdem
für zu wenig. Er befürwortete eine Menge, die für 20%
ausreichen würde.
Das derzeit entdeckte aggressive Virus H5N1 ist noch nicht von
Mensch zu Mensch übertragbar. Die WHO schließt das aber
grundsätzlich nicht aus. Mit den einzelnen Ausbrüchen der
Krankheit bei Tieren in der Türkei oder Rumänien sei nur
bewiesen, dass das Problem in immer mehr Länder getragen
werde.
Die WHO rate Privatpersonen auch davon ab, sich das
Grippemittel Tamiflu in Mengen zu besorgen. "Tamiflu ist ein
Grippemittel. Es gibt derzeit keinen Grund, es einzunehmen",
sagte Ryan. Das Einlagern von Tamiflu diene in vielen Ländern
dazu, das Ausmaß einer möglichen Epidemie von Anfang an zu
begrenzen. Jedes Land müsse dafür selbst vorsorgen. Die
WHO-Empfehlung, für eine Epidemie Medikamente für ein Viertel
der Bevölkerung bereitzuhalten, sei nur theoretisch, es biete
sich aber als Vorsorgemaßnahme an. Die Bundesländer hatten
sich auf den Kauf von 13 Mill. Dosen Grippe-Medikamente
geeinigt.
Ryan verwies darauf, dass das Thema Vogelgrippe nicht in
einigen Monaten vorbei sei. "Wir werden für einen bedeutsamen
Zeitraum weiter mit diesem Risiko leben müssen." Deswegen
müssten alle Staaten die Lage genau beobachten und auch unter
Kontrolle bringen. "Es wird ein langer und kraftraubender
Prozess sein."
Schmidt warnt vor Panikmache
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt warnte erneut vor
Panikmache. "Das ist fehl am Platz", sagte die
SPD-Politikerin. Zur Vorbeugung gegen eine mögliche extrem
gefährliche Grippe-Epidemie will der Bund den Prototyp eines
Impfstoffs entwickeln.
Viele Experten befürchten, dass sich der Erreger der
Vogelgrippe mit dem der menschlichen Grippe mischt und dann
eine Art "Supervirus" entsteht. Dieses wäre leicht von Mensch
zu Mensch übertragbar. Ein endgültiger Impfstoff gegen ein
solches Virus kann erst entwickelt werden, wenn es existiert
und identifiziert ist.
Der Impfstoff gegen die gewöhnliche Grippe reicht unterdessen
in Deutschland möglicherweise nicht für die große Nachfrage in
der laufenden Saison. "Es sieht so aus, als ob es knapp werden
könnte", sagte die Sprecherin des Bundesamtes für Sera und
Impfstoffe (Paul-Ehrlich-Institut), Susanne Stöcker, in Langen
bei Frankfurt am Main. Aus Angst vor der Vogelgrippe ließen
sich plötzlich viele Menschen impfen, die sich bislang nicht
dafür interessiert hätten. "Das macht aber keinen Sinn. Der
Grippe-Impfstoff schützt nicht vor der Vogelgrippe", betonte
Stöcker.
Gegen eine mögliche weltweite Epidemie sei ein völlig anderer
Impfstoff nötig als gegen die Grippe, sagte Stöcker. Dieser
müsse für alle rund 80 Mill. Deutschen reichen. Das Bundesamt
hoffe, dass ein Unternehmen bis Ende 2005 einen
Zulassungsantrag für einen Prototyp-Impfstoff stelle. Wenn
dieser funktioniere, stehe das Grundgerüst, das dann beim
Auftreten eines "Supervirus" spezifisch angepasst werden
könnte. Im besten Fall könne vier Monate später geimpft
werden. Die Produktion werde rund drei Monate dauern, dazu
kämen etwa sechs bis acht Wochen für Logistik und
Auslieferung.
Die EU-Kommission macht sich unterdessen Sorgen über eine
Versorgung mit Medikamenten bei einer Grippe-Epidemie in
Europa. Gesundheitskommissar Markos Kyprianou forderte die
Mitgliedstaaten erneut auf, Vorsorge zu treffen und die
Bestände aufzustocken, wie sein Sprecher in Brüssel sagte.
Einige EU-Staaten hielten sich nicht an die Empfehlung der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), Mittel für ein Viertel der
Bevölkerung bereitzuhalten. Um welche Länder es sich handelt,
wollte er nicht sagen. Grippe-Medikamente wirken im Gegensatz
zu Impfstoffen unspezifisch gegen vielerlei Grippe-Viren.
USA warnen
Die USA haben unterdessen davor gewarnt, dass kein Land
ausreichend auf eine weltweite Vogelgrippen-Epidemie
vorbereitet sei. Die Regierung in Washington verstärke indes
ihre Bemühungen um ein Überwachungssystem, das ein
frühzeitiges Erkennen der Epidemie-Gefahr sicherstelle, sagte
US-Gesundheitsminister Mike Leavitt am Montag in der
indonesischen Hauptstadt Jakarta.
Indonesien war eine Station auf Leavitts Reise durch fünf
südostasiatische Länder, in denen die Tierseuche grassiert und
wiederholt auf Menschen übergesprungen ist. Experten warnen
davor, dass es sich verändert und dann wie ein normales
Grippe-Virus von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann.
Dann könnten sich Mill. Personen anstecken. In Asien sind
bislang 60 Menschen an der Vogelgrippe gestorben.
"Nach meiner Einschätzung ist kein Land angemessen auf die
Krankheit vorbereitet ist", betonte Leavitt. Sollte das Virus
leicht von Mensch zu Mensch übertragbar werden, müsse diese
Veränderung so schnell wie möglich erkannt werden, sagte er
nach Gesprächen mit dem indonesischen Präsidenten Susilo
Bambang Yudhoyono und Gesundheitsministerin Siti Fadillah
Supari. Die USA haben südostasiatischen Staaten 25 Mill.
Dollar für die Ausbildung von Experten, die Ausrüstung von
Laboren, Überwachungssysteme und die öffentliche Aufklärung
über die Tierseuche versprochen. Leavitt ist seit einer Woche
in Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam unterwegs, um sich
über die Maßnahmen der Länder zu informieren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekräftigte, dass
Südostasien im Zentrum des Kampfes gegen die Infektion stehen
müsse. Sie warnte vor allem europäische Staaten davor, ihre
Kräfte auf Schutzmaßnahmen in den eigenen Ländern zu
konzentrieren und darüber die Unterstützung südostasiatischer
Staaten zu vernachlässigen. Die Vogelgrippe müsse an ihrem
Ursprung bekämpft werden, "und der ist hier", sagte
WHO-Sprecher Peter Cordingley in der philippinischen
Hauptstadt Manila.
Rund 20 000 Hausvögel in Rumänien notgeschlachtet
Rumänien hat nach Ausbruch der Vogelgrippe in zwei
Infektionsherden im Donaudelta bis Montag rund 20 000 Stück
Federvieh notgeschlachtet. Im Quarantäne-Gebiet Ceamurlia de
Jos im Süden des rumänischen Donaudeltas, wo das Virus H5N1
bestätigt wurde, wurden die Massenschlachtungen bereits am
Sonntag abgeschlossen. Häuser, Höfe, Stallungen, Straßen und
Brunnen werden in Ceamurlia desinfiziert. In etwa einer Woche
sollten in Ceamurlia unter Aufsicht Junghühner ausgesetzt
werden, um zu testen, ob das Virus im Dorf völlig beseitigt
worden ist, sagte Agrarminister Gheorghe Flutur am Montag.
In dem zweiten Infektionsherd in Maliuc am Donauarm Sulina
gingen am Montag die Notschlachtungen der Hausvögel weiter.
Von insgesamt 1500 Stück Federvieh seien bereits knapp 1000
eingefangen, getötet und entsorgt worden, hieß. In dem
Fischerdorf war der Virusstamm H5 bei einem Haushuhn und einem
Schwan isoliert worden. Ein Ergebnis von Tests auf den
gefährlichen Subtyp H5N1 wurde am Montagnachmittag vom
EU-Referenzlabor im britischen Weybridge erwartet.
Bereits seit einer Woche herrscht vollständiges Jagdverbot im
Donaudelta. Wildvögel dürfen landesweit nicht gejagt werden.
Nach Worten des Agrarministers werden in mehreren Gebieten
Fallen aufgestellt, um Wildvögel lebend einzufangen und auf
den Vogelgrippevirus zu prüfen. Außer im Donaudelta seien in
den vergangenen Tagen zahlreiche Graugänse und Wildenten auch
im südrumänischen Kreis Ialomita gesichtet worden, sagte der
Minister.
Der Vogelzug beginnt erst richtig in Rumänien. Bis Dezember
erwarten Experten etwa ein Viertel Million Graugänse im
Donaudelta und anderen Feuchtgebieten an der Küste und entlang
der Donau. Auch andere Zugvögel, die aus Russland und
Kasachstan kommen, darunter die geschützte Rothalsgans sowie
Wildenten kommen nach Meinung von Experten als Verbreiter des
Vogelgrippevirus in Frage.
Sicherheitskräfte schotteten die beiden Quarantäne-Gebiete
Ceamurlia und Maliuc am Montag weiterhin von der Außenwelt
völlig ab. Die Verwaltungskreise Tulcea und Constanta gelten
als Kerngebiet für vorbeugende Schutzmaßnahmen. Alle Fahrzeuge
und Züge, die das Gebiet verlassen oder hineinfahren, werden
kontrolliert und gründlich desinfiziert. Ein zweiter
Schutzring wurde um die vier angrenzenden Kreise Galati,
Braila, Ialomita und Calarasi gezogen, die als Pufferzone
dienen. Auch dort müssen alle Fahrzeuge durch
Desinfektionsbäder fahren.
Angst vor Vogelgrippe auch in Kroatien
Wie nervös die Menschen in Europa inzwischen sind, zeigte sich
derweil in Kroatien. "Bislang haben die Menschen tote Vögel
überhaupt nicht bemerkt, aber jetzt sehen sie sie überall und
alarmieren die Polizei", sagte ein Sprecher des
Landwirtschaftsministeriums. Er reagierte damit auf einen
Zeitungsbericht, wonach zehn bei Zagreb gefundene tote Stare
in einem tiermedizinischen Institut untersucht werden. Die
Vögel hätten keine äußeren Verletzungen gehabt, deshalb hätten
die Menschen auf die Vogelgrippe getippt, berichtete das
Blatt.
Der Ministeriums-Sprecher versuchte allerdings zu beruhigen.
"Es gibt keine Vogelgrippe in Kroatien und wir haben auch
keine Verdachtsfälle. Alles, was wir derzeit tun, geschieht
aus reiner Vorsicht." Kroatien liegt wie Serbien auf einer der
Hauptrouten für Zugvögel aus Europa auf dem Weg nach Afrika.
In Rumänien teilten die Behörden unterdessen mit, dass die
Massenschlachtung von tausenden Geflügeltieren im Donau-Delta
abgeschlossen sei. Es seien keine neuen
Vogelgrippe-Infektionen bei Tieren festgestellt worden. Mit
dem Auftreten der Vogelgrippe in Rumänien ist die
lebensgefährliche Krankheit in Europa angekommen.
Die EU-Kommission rief nach den jüngsten Berichten aus
Kroatien generell zu schnellen Tests auf. In allen Ländern, wo
tote Vögel gefunden würden, müsse die Ursache sofort
untersucht werden, sagte ein Sprecher in Brüssel. Zudem
bekräftigte er, dass alle Mitgliedstaaten aufgerufen seien,
einen ausreichenden Vorrat an Impfstoffen anzuschaffen, um für
den Falle einer Epidemie gerüstet zu sein.
HANDELSBLATT, Montag, 17. Oktober 2005, 17:30 Uhr