Geflügelmärkte und Vogelschauen verboten / Bayerns Hühner müssen in den Stall
Zum Schutz vor der Vogelgrippe sind seit Montag sämtliche
Geflügelmärkte und Vogelschauen in Bayern verboten.
Gleichzeitig warf der bayerische Gesundheits- und
Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf Bund und EU zu
laxes Vorgehen vor.
MÜNCHEN. Bayern ist das erste Bundesland mit dieser
Regelung. "Da auf den Märkten auch Geflügel aus dem Ausland
gehandelt wird, ist das Risiko zu groß", sagte ein Sprecher
des Umweltministeriums in München. Als nächsten Schritt
bereitet Bayern eine generelle Stallpflicht für Geflügel vor.
An diesem Dienstag will Umweltminister Werner Schnappauf (CSU)
auch die anderen Bundesländer von seinem Plan überzeugen. In
Bayern wird die Stallpflicht von Mittwoch an bis zum 15.
Dezember gelten. Bis dahin seien die Zugvögel durchgeflogen.
Durch die Stallpflicht soll der Kontakt von Geflügel zu
möglicherweise infizierten Zugvögeln aus den Risikogebieten
verhindert werden. In einzelnen anderen Bundesländern gilt die
Stallpflicht bisher nur in Regionen, die auf der Strecke der
Zugvögel liegen.
"Ich denke, dass sowohl Brüssel als auch Berlin nicht
konsequent genug vorgehen", sagte der CSU-Politiker Schnappauf
am Montag zudem im Bayerischen Rundfunk. Statt bundes-
beziehungsweise europaweit Sicherheitsvorkehrungen zu treffen,
schöben der Bund und die EU die Verantwortung ein wenig auf
die Regionen ab. Dabei wären die Konsequenzen eines
Einschleppens der Vogelgrippe für Verbraucher und Landwirte
verheerend.
Ein deutschlandweites Freilaufverbot ist nach Angaben des
zuständigen Bundesinstituts aber weiterhin nicht erforderlich.
Für Deutschland sei derzeit von einem geringen
Einschleppungsrisiko über Zugvögel auszugehen, da die
herbstlichen Flugrouten von Norden nach Süden führen, sagte
eine Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel
Riems am Montag. Noch sei unklar, ob das Vogelgrippe-Virus
nach Rumänien über Wildvögel, über Tiertransporte oder über
den Handel eingeschleppt worden sei. Das Vogelgrippe-Virus
H5N1, das auch für den Menschen bedrohlich ist, war in der
vergangenen Woche in der Türkei und in Rumänien nachgewiesen
worden.
An den Flughäfen in München und Frankfurt/Main kam es wegen
der Verschärfung der Einfuhrkontrollen zu Verzögerungen bei
der Abfertigung der einreisenden Passagiere. In Frankfurt
seien etliche hundert Kilogramm Wurst und Fleisch
sichergestellt worden. Der Zoll am Münchner Flughafen warnte
Reisende aus der Türkei, Rumänien und anderen Risikogebieten
vor der Einfuhr von Lebensmitteln. Viele Menschen wüssten
offenbar noch nicht, dass das Mitbringen dieser Waren verboten
sei.
Die meisten anderen Bundesländer warten indes das Treffen von
Experten an diesem Dienstag in Bonn ab, das ergab eine
dpa-Umfrage. Ob Stuttgart oder Schwerin, Hannover oder
Potsdam: die Ministerien setzen auf bundesweit einheitliche
Regelungen. Das gefährlich Vogelgrippe-Virus H5N1 war in der
Türkei und Rumänien nachgewiesen worden.
Nur Sachsen-Anhalt verbietet ebenfalls Geflügelmärkte und
Vogelschauen im Freien. Wie in Bayern gelten die Maßnahmen bis
Mitte Dezember. Eine entsprechende Verordnung werde in Kürze
in Kraft treten, teilte das Agrarministerium am Montag in
Magdeburg mit. Die Geflügelwirtschaft in Sachsen-Anhalt
forderte darüber hinaus eine generelle Stallpflicht. "Wir
nehmen die Risiken sehr ernst", sagte Agrarministerin Petra
Wernicke (CDU). Sie warnte allerdings davor, Angst und Panik
zu verbreiten.
Baden-Württemberg plant zwar auch ein Verbot von
Geflügelmärkten. Zunächst wollen die Verantwortlichen jedoch
das Treffen der Tierseuchenexperten abwarten, wie ein Sprecher
des Agrarministeriums in Stuttgart mitteilte. Nur wenn keine
bundesweit einheitlichen Regelungen ergriffen werden, soll im
Südwesten über einen "Alleingang" bis hin zu einer
Stallpflicht entschieden werden.
Niedersachsen prüft ebenso wie Hessen ein Verbot für
Geflügelmärkte, beide Ländern favorisieren aber ebenfalls ein
bundesweit einheitliches Vorgehen. Sollte es zu einer solchen
Einigung nicht kommen, werde Hessen unverzüglich eine
Stallpflicht in den Zugvögel-Risikogebieten vor allem im Süden
des Bundeslandes anordnen.
Die Kontrollen am Frankfurter Flughafen waren verschärft
worden. In Sachsen kontrollieren Zoll und Bundespolizei seit
Montag verstärkt am Flughafen Leipzig/Halle und an
Transitstraßen. Thüringen verstärkte die Kontrollen am
Flughafen Erfurt. Gesucht wird sowohl nach Lebensmitteln mit
Geflügel als auch nach Federn, die am Strand gefunden wurden.
Aktuell sieht das Ministerium von Thüringen allerdings keinen
Grund für eine Stallpflicht. Der Tierschutz dürfe nicht der
Panik geopfert werden. Die größten Gefahren gingen von
unvorsichtigen Reisenden und kriminellen Geflügelverkäufern
aus.
Brandenburgs Landesregierung will die Freilandhaltung vorerst
ebenfalls nicht verbieten. Dafür bestehe aus Behördensicht
derzeit kein Anlass, sagte ein Sprecher des
Verbraucherschutzministeriums in Potsdam. Eine Gefahr sähen
Landwirte und Behörden ebenfalls eher darin, dass Reisende das
Virus aus den Risikogebieten einschleppen könnten. Nach
Angaben des Ministeriums wird auf Flughäfen und Autobahnen
verstärkt kontrolliert.
Auch für Berlins Geflügel gibt es vorerst keine Stallpflicht.
In der Hauptstadt ist der Bestand an Federvieh mit 7000 Tieren
vergleichsweise überschaubar. Von den Berliner Stadt-Tauben
geht nach Einschätzung der Behörde keine große Gefahr aus,
denn sie gelten als wenig empfänglich für das Virus.
In Nordrhein-Westfalen ist ebenso wie in Rheinland-Pfalz
vorerst keine Ausweitung der bereits verhängten Maßnahmen
geplant. In NRW gilt bislang nur am Niederrhein ein
Freilaufverbot für Geflügel. In Rheinland-Pfalz wurden die
Kontrollen für Geflügelimporte sowie im Reiseverkehr
verstärkt.
In Teilen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Mecklenburg- Vorpommern war die Freilandhaltung von Geflügel
am 15. September verboten worden.
HANDELSBLATT, Montag, 17. Oktober 2005, 13:10 Uhr