EU-Außenminister beraten am Dienstag über Schutzmaßnahmen
Die neuen osteuropäischen EU-Mitglieder sind offenbar nur
unzureichend auf eine mögliche Epidemie der Vogelgrippe
vorbereitet. "Es fehlt in einigen neuen EU-Staaten ein
angemessenes Krisenmanagement", verlautete am Wochenende aus
der EU-Kommission.
BERLIN. "Es fehlt in einigen neuen EU-Staaten ein
angemessenes Krisenmanagement", verlautete am Wochenende aus
der EU-Kommission. Am Samstag war in Rumänien der
Vogelgrippe-Erreger H5N1 nachgewiesen worden, der auch für
Menschen gefährlich werden kann.
Der für Verbraucher- und Gesundheitsschutz zuständige
EU-Kommissar Markos Kyprianou hatte bereits am vergangenen
Donnerstag gewarnt, dass es in Teilen der Gemeinschaft für den
Fall einer Krankheitswelle an Impfmaterial und Anti-Viren
fehle. Welche EU-Staaten Probleme mit der
Medikamentenversorgung haben, will die EU vorerst nicht
bekannt geben. "Es ist nicht die Aufgabe der Kommission,
einzelne Länder an den Pranger zu stellen", sagte ein
Behördensprecher gestern.
Kyprianou will morgen den EU-Außenministern bei einem
Krisentreffen in Luxemburg erörtern, wie sich die Gemeinschaft
auf ein mögliches Übergreifen des Vogelgrippe-Virus auf den
Menschen und auf eine Epidemie vorbereiten kann. Nach der
bisherigen Verordnung der Europäischen Union müssen die
Mitgliedsländer selbst Risikogebiete festlegen, die entlang
der Flugroute von Zugvögeln liegen. In diesen Regionen soll
dann eine Stallpflicht angeordnet werden, weil Zugvögel das
Virus auf Geflügel übertragen können.
Rumänien verstärkte am Wochenende die Sicherheitsmaßnahmen.
Das Handelsverbot für Lebendgeflügel wurde auf das ganze Land
und auch auf Schweine ausgedehnt. Es gab Massentötungen von
Geflügel. Alle Menschen in den Infektionsherden wurden
vorbeugend gegen das normale Grippevirus geimpft. Polen
verhängte eine landesweite Stallpflicht. Bayerns
Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) forderte auch für
Deutschland eine solche Schutzmaßnahme. Bisher gilt die
Stallpflicht nur in einzelnen Risikoregionen des Landes.
Der am Freitag verabredete deutsche Aktionsplan sieht auch
eine verstärkte Kontrolle des Importverbots für Vögel,
Geflügel und Geflügelfleisch aus Ländern vor, in denen die
Vogelgrippe nachgewiesen wurde oder der Verdacht eines
Ausbruchs besteht. Das Gesundheitsministerium in Berlin
erneuerte seine Warnung an Reisende nach Asien, in die Türkei
oder Rumänien, Geflügelmärkte zu meiden. Sie sollten auch kein
rohes Geflügelfleisch essen und sich strikt daran halten,
keine tierischen Produkte nach Deutschland mitzubringen. Für
Panik oder Hysterie bestehe aber "kein Anlass", sagte ein
Ministeriumssprecher. Die Vogelgrippe sei zunächst eine
Erkrankung beim Geflügel. Die Gefahr einer Pandemie wäre erst
gegeben, wenn der Virus auf den Menschen überspringe und sich
so verändere, dass er von Mensch zu Mensch übertragen werde.
Die Forderung des bayerischen Ministers Schnappauf nach einer
nationalen Impfstrategie wies die Bundesregierung zurück.
"Derzeit verfügbare Impfstoffe helfen gegen die Wintergrippe?
nicht gegen die Vogelgrippe. Impfstoffe gegen die Vogelgrippe
können erst entwickelt werden, wenn der Erreger bekannt ist."
Impfstoffe gegen die herkömmliche Wintergrippe seien
ausreichend vorhanden, hieß es.
Wie in Deutschland ist auch die Regierung in Frankreich darum
besorgt, keine Panik in der Bevölkerung aufkommen zu lassen.
"Wir befinden uns nicht in der Situation einer Pandemie", so
Frankreichs Regierungschef Dominique de Villepin. Der Premier
hatte das Thema Vogelgrippe mit den betroffenen Fachministern
am Freitag beraten. Beschlossen wurden eine Überwachung der
Zugvögelbewegungen und Kontrollen der Zuchtvögelbestände.
Frankreich ist der größte Geflügelproduzent der Europäischen
Union. Der Sektor erwirtschaftet einen Jahresumsatz von sechs
Mrd. Euro und beschäftigt 50 000 Menschen. Angesichts
sinkender Nachfrage nach Geflügel erklärte der
Premierminister, dass der Verzehr von Geflügelfleisch
unbedenklich sei. Auch eine Stallpflicht der Zuchtbestände sei
derzeit nicht nötig.
Der französische Apothekerverband berichtete von verstärkter
Nachfrage nach dem Impfstoff Tamiflu. Einige Großhändler
melden bereits, keine Vorräte dieses Medikamentes mehr zu
haben. Gesundheitsminister Xavier Bertrand versicherte für den
Fall einer Pandemie eine kostenfreie Impfung der Bevölkerung.
Für die Vorbereitung zur Abwehr einer Pandemie hat die
Regierung Mittel von 600 Mill. Euro im Budget vorgesehen.
HANDELSBLATT, Montag, 17. Oktober 2005, 09:18 Uhr