Vögel reisen im Gepäck nach Deutschland
Trotz zahlreicher Warnungen vor der Vogelgrippe bringen
Türkeireisende lebendes Federvieh mit nach Deutschland. Ein
Alptraum für die Seuchenexperten, die zusehen müssen, wie sich
das gefährliche Virus ausbreitet.
Mit rabiaten Methoden versuchen die rumänischen Behörden,
der Vogelgrippe Herr zu werden. Zu tausenden werden die
Vögel getötet.
DÜSSELDORF/FRANKFURT. Zollbeamte haben am Düsseldorfer
Flughafen drei lebende Tauben im Handgepäck eines aus der
Türkei einreisenden Passagiers gefunden. Das teilte das
Umweltministerium von Nordrhein- Westfalen am Freitag in
Düsseldorf mit. Auch am Frankfurter Flughafen wurden allerlei
Lebensmittel beschlagnahmt, darunter ein hausgeschlachtetes
Huhn und Dosen mit Fleisch.
Derzeit werden Einreisende an mehreren Flughäfen Deutschlands
verstärkt kontrolliert, um möglicherweise illegal eingeführte
Tiere und tierische Produkte zu finden. Gesundheitsexperten
sehen in illegalen Importen den gefährlichsten Weg zur
Einschleppung der Seuche.
In dieser Woche war das Vogelgrippevirus in Rumänien und in
der Türkei nachgewiesen worden. In der Türkei wurde der für
den Menschen gefährlichen H5N1-Virus-Stamm nachgewiesen.
Eventuell gibt es bereits erste infizierte Menschen. Neun
Personen wurden in ein Krankenhaus eingeliefert.
Als Schutzmaßnahme gegen die Vogelgrippe hat Bayern
Geflügelmärkte, Vogelbörsen und -ausstellungen untersagt. Das
Verbot tritt kommenden Montag in Kraft. "Die Anrodnung ist
unbefristet und soll größere Tieransammlungen und damit ein
künstliches Infektionsrisiko verhindern", ließ
Landesumweltminister Werner Schnappauf (CSU) am Freitag in
München erklären. Er plädierte dafür, das Verbot auf ganz
Deutschland auszuweiten.
Die EU-Kommission plante zunächst kein generelles Freilauf-
Verbot von Geflügel zur Abwehr der Vogelgrippe. Die
Mitgliedstaaten sollen relativ viel Entscheidungsspielraum
bekommen, sagte ein EU- Kommissionssprecher in Brüssel. Die
Bundesregierung forderte die Länder auf, selbst für eine
Stallpflicht zu sorgen. So soll verhindert werden, dass
Wildvögel bei ihrem Zug in den Süden das Virus weitergeben.
In Rumänien gibt es einen zweiten Vogelgrippe-Herd. Wie im
ersten Fall war auch im nun betroffenen Ort Maliuc am Freitag
jedoch noch unklar, ob es sich um den besonders gefährlichen
Untertyp H5N1 handelt. Die Europäische Union erwartet
Testergebnisse des ersten Ausbruchs im Donaudelta-Dorf
Ceamurlia de Jos für Samstag.
Das Dorf Maliuc und ein drei Kilometer großes Gebiet wurden
völlig von der Außenwelt abgeschottet, teilte das rumänische
Landwirtschaftsministerium mit. Das gesamte Geflügel soll
notgeschlachtet werden. In Proben von einem dort verendeten
Huhn und einem Schwan habe ein Labor in Bukarest das
Grippevirus H5 isoliert. Die Proben seien den verendeten
Vögeln am vergangenen Sonntag und Montag entnommen worden.
Türkische Behörden gaben für das Dorf Kiziksa im asiatischen
Teil des Landes unterdessen Entwarnung. Der Geflügelbestand
von rund 8500 Tieren sei vernichtet worden, nachdem dort das
für den Menschen gefährliche Virus H5N1 nachgewiesen worden
war.
In Berlin will der Agrarausschuss des Bundestags am Montag in
einer Sondersitzung über den Schutz vor der Vogelgrippe
diskutieren. In Deutschland müsse selbst für den Fall, dass
die Vogelgrippe-Viren aus Rumänien dem für Menschen
gefährlichen Subtyp H5N1 angehören, die Krisenvorbeugung aber
nicht verstärkt werden, sagte ein Sprecher von
Bundesverbraucherminister Jürgen Trittin (Grüne) in Berlin.
Die Bundesregierung sei bereits von einem möglichen "worst
case" ausgegangen.
Der nationale Krisenstab von Bund und Ländern hatte sich am
Mittwoch auf bessere Kontrollen an Flughäfen, an den
Autobahnen und an den Grenzen verständigt. Kiloweise waren
illegale Fleischeinfuhren festgestellt worden.
Die EU-Kommission hat ein Importverbot für Geflügel und
Geflügelprodukte aus Rumänien und der Türkei erlassen.
Frankreich will 600 Millionen Schutzmasken kaufen, um der
Seuchengefahr durch Krankheiten wie der Vogelgrippe zu
begegnen.
In Asien sieht die WHO den Kampf gegen das Vogelgrippevirus
H5N1 schon weitgehend verloren. "Alle Versuche, sie in
Südostasien auszumerzen und unter Kontrolle zu bringen, sind
fehlgeschlagen", sagte der WHO- Direktor für die Region
West-Pazifik, Shigeru Omi, in der philippinischen Hauptstadt
Manila. "Ihre Ausbreitung ist nun gewaltig und reicht von
Südostasien bis hin an die Türschwelle Europas." Das Virus
könne auch nach Deutschland kommen.
HANDELSBLATT, Freitag, 14. Oktober 2005, 18:57 Uhr