Verdacht auf Vogelgrippe beim Menschen
In der Türkei haben sich möglicherweise die ersten Menschen
mit der Vogelgrippe angesteckt, wenn gleich die
Wahrscheinlichkeit gering ist. Der türkische Regierungschef
Erdogan befürchtet eine Panik in der Bevölkerung.
ANKARA. Die Patienten seien zu Blut-Tests in der Klinik
behalten worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur
Anatolien am Freitagmittag. Sie hätten in der west-türkischen
Stadt Turgutlu Kontakt zu Tauben gehabt, die in den
vergangenen 15 Tagen verendet seien. "Die Wahrscheinlichkeit,
dass es sich um Vogelgrippe handelt, ist sehr gering",
beruhigte ein Vertreter der örtlichen Gesundheitsbehörde
allerdings. Das Krankenhaus in Turgutlu habe jedoch die nötige
Sorgfalt walten lassen.
Am vergangenen Samstag waren auf einem Bauernhof an der
türkischen Ägäisküste 2000 Vögel verendet, die sich
Untersuchungen zufolge an dem auch für den Menschen
gefährlichen Virusstamm H5N1 angesteckt hatten. Bislang wurden mehr als 8000 Hühner, Truthähne, Gänse und Tauben rund um den betroffenen Bauernhof getötet. Am Freitag wurde in der Türkei ein Jagdverbot erlassen, um eine Ansteckung durch Zugvögel aus
Russland und Asien zu verhindern. Dort grassiert die Seuche
bereits.
In Brüssel berieten am Freitag Experten aus der Europäischen
Union in einer Krisensitzung über Maßnahmen für einen Schutz
der Gemeinschaft vor einem Einschleppen der Seuche.
Um eine Panik der türkischen Bevölkerung nach dem Ausbruch der Vogelgrippe zu vermeiden, hat Ministerpräsident Tayyip Erdogan
demonstrativ Hühnchen gegessen. Zahlreiche Zeitungen
veröffentlichten am Freitag Fotos, die Erdogan am Vorabend
beim genüsslichen Verzehr von Hühnersalat zeigten. Der Salat
war Teil seines Menüs zum traditionellen Fastenbrechen, bei
dem gläubige Moslems im Fastenmonat Ramadan nach
Sonnenuntergang ihre erste Nahrung einnehmen.
"Ich hoffe, sie werden jetzt ihre Überschriften ändern",
zitierte die Zeitung "Sabah" den Regierungschef, der auch dem
Fotografen den Salat angeboten haben soll. Auch der
Parlaments-Präsident in Ankara, Bülent Arinc, verspeiste
Hühnchen.
Die Politiker wollen mit ihrer Initiative demonstrieren, dass
der Verzehr von Hühnerfleisch auch nach dem Ausbruch der
Vogelgrippe noch sicher ist. Die türkischen Behörden haben die Bevölkerung zu Gelassenheit aufgerufen und mitgeteilt, es gebe
kein allgemeines Gesundheitsrisiko. Dennoch baute die
Regierung ihre Vorräte an Medikamenten gegen
Virus-Erkrankungen aus. Die Türken haben nach einem Bericht
der Zeitung "Vatan" in den vergangenen zwei Wochen rund
100 000 Packungen des Grippemedikaments Tamiflu von Roche
gekauft. Im ganzen Jahr 2004 waren es gerade einmal 20 000
gewesen.
HANDELSBLATT, Freitag, 14. Oktober 2005, 13:57 Uhr