Trotz Vogelgrippe in der Türkei - "In Deutschland aktuell keine Gefahr"

Die in der Türkei gefundenen Vogelgrippe-Viren sind nach EU-Angaben auch für den Menschen tödlich. Nach Angaben des Hamburger Tropeninstituts besteht aktuell für die Bürger in Deutschland aber keine Gesundheitsgefahr.

BRÜSSEL. Nach dieser Bestätigung des H5N1-Virus-Stamms an der unmittelbaren Grenze zu Europa warnte die EU-Kommission am Donnerstag vor einer weltweiten Grippe-Epidemie, die nach Expertenangaben Mill. Menschen töten könnte. Alle EU-Länder müssten sich darauf vorbereiten und die Vorsorge zur obersten Priorität erklären. Sollte der Erreger so mutieren, dass er direkt von Mensch zu Mensch verbreitet werden kann, könnte dies Experten zufolge eine weltweite Epidemie auslösen. Die Vereinten Nationen hatten kürzlich davor gewarnt, dass in diesem Fall das Leben von bis zu 150 Mill. Menschen bedroht wäre.
Das Hamburger Tropeninstitut gibt sich mit Blick auf Deutschland aktuell aber eher gelassen. "Die Vogelgrippe ist eher eine Art Berufskrankheit", sagte die Sprecherin des Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Barbara Ebert, am Donnerstag. Bislang hätten alle Infizierten engen Kontakt zu infiziertem Geflügel gehabt. Zudem werde der Erreger bislang nicht von Mensch zu Mensch übertragen.
Wer sicher gehen will, soll der Empfehlung des Instituts zufolge vor allem bei Reisen in die bereits betroffenen Länder jeden Kontakt mit Geflügel oder Geflügelkot vermeiden. Geflügel sollte gut gegart werden. "Dadurch wird das Virus zerstört". Generell aber gebe es keinerlei Grund für panische Reaktionen, sagte Ebert. Der Kauf des Grippemittels Tamiflu sei als Vorsichtsmaßnahme nicht erforderlich.
Auch Naturliebhaber müssen nicht auf den Spaziergang beispielsweise in Vogelschutzgebieten verzichten. Selbst wenn dort Tiere infiziert seien, gebe es quasi keine Ansteckungsgefahr, sagte Ebert. Dafür sei die für eine Übertragung nötige Virendosis viel zu hoch. Das das Vogelvirus nicht einfach so auf den Menschen überspringe, zeige schon die Tatsache, dass es in Asien Mill. verendeter Vögel, aber nur rund 60 gestorbene Menschen gebe.
Das Risiko, dass sich ein Vogelgrippevirus in einem Menschen oder einem Tier mit einem menschlichen Grippevirus zu einem neuen, gefährlicheren Erreger vermische, bestehe seit vielen Jahren. Es steige allerdings statistisch, wenn es wie derzeit extrem viele Erkrankungen bei Vögeln gebe.
Gewöhnliche Grippeviren dringen in Zellen ein, vermehren sich dort und zerstören die Zelle schließlich. Die dabei frei werdenden Erreger infizieren sehr schnell weitere Zellen und vermehren sich so sehr rasch weiter. "Man kann mittags noch gesund und abends schwerst krank sein", sagte Heinz-Hubert Feucht, Oberarzt am Universitäts-Institut für Infektionsmedizin in Hamburg. Um die Krankheit aufzuhalten, müssen Grippemedikamente deshalb bald nach der Infektion verabreicht werden. "Optimal ist eine Behandlung in den ersten 24 Stunden." Das Fieber sinke dann innerhalb weniger Stunden. Bei einer Einnahme nach mehr als 48 Stunden hätten die Mittel kaum noch Wirkung.
Mittel wie Tamiflu erschweren es den Grippeviren, sich zu vermehren. Sie hemmen ein Enzym auf der Oberfläche der Viren, das dafür verantwortlich ist, dass die Partikel nicht aneinander kleben bleiben. "Wird das Enzym gehemmt, klumpen die Viren zusammen", erklärte Feucht. Verklebte Viren aber können nicht mehr in Zellen eindringen und sich dort vermehren. Auf diese Weise werde die explosionsartige Ausbreitung der Erreger in den Schleimhäuten gestoppt.

HANDELSBLATT, Donnerstag, 13. Oktober 2005, 14:40 Uhr


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