4. Oktober ist Welttierschutztag

 

Wir kämpfen für ein Tierschutzklagerecht – Die Verbandsklage

Das Tierschutzklagerecht – Was bringt es den Tieren ?

 

Seit dem 1.08.2002 dem Tag an dem das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz in Kraft trat, sind Gesetzgeber, Behörden und Gerichte in besonderer Weise verpflichtet Tiere zu schützen. Die Praxis aber sieht anders aus:

 

Nach wir vor werden viele Millionen Tiere unter grausamen Bedingungen gehalten. Kurz nach Verabschiedung des Staatszieles zum Tierschutz hat die Eier-Industrie sogar eine Initiative gestartet, um den zuvor beschlossenen Ausstieg aus der Käfighaltung von Legehennen wieder zu Fall zu bringen. Noch immer ist die Massentötung von Tieren möglich. So vernichten Brütereien in Deutschland TÄGLICH 120.000 Eintagsküken. Zu selten schreiten die Behörden gegen Missstände in der Tierhaltung ein und selbst notorische Tierquäler bleiben oft straffrei. Wissenschaftler führen weiterhin unzulässige Tierversuche durch, für die es längst tierversuchsfreie Alternativen gibt.

 

Um die Kluft zwischen Verfassungsanspruch und Realität zu schliessen, brauchen wir zum einen ein neues Tierschutzgesetz und neue Tierschutzverordnungen. Gesetze und Verordnungen sind dazu, die Verfassung zu konkretisieren und auszufüllen. Das Staatsziel Tierschutz hatte bislang keine relevanten Gesetzesänderungen zur Folge. Dies muss schleunigst nachgeholt werden. In keinem Fall darf es dazu kommen, dass wie im genannten Beispiel der Legehennenhaltung zuvor beschlossene Standards wieder rückgängig gemacht werden.

 

Neben dem Erlass neuer besserer Tierschutzverschriften und der Abwehr unzulässiger Rückschritte ist zu gewährleisten, dass die Vorgaben auch eingehalten werden. Ein entscheidendes Instrument hierfür ist die tierschutzrechtliche Verbandsklage. Diese Möglichkeit muss umgehend auf Bundes- und Landesebene eingeführt werden. Das Beispiel der Massentötung von Eintagsküken zeigt warum:

 

Um möglichst schnell möglichst viele Eier zu produzieren, werde spezielle Legehennenlinien gezüchtet. Die männlichen Tieren sind in diesen Linien wertlos, weil sie keine Eier legen. Da es sich nicht rechnet, die männlichen Tiere für den Verzehr als Grillhähnchen aufzuziehen, werden sie einfach getötet. Allein für das deutsche Frühstücksei sterben so jährlich 45 millionen Tiere. Das geschieht, obwohl sich alle Rechtexperten einig sind, dass derartige Massentötung spätestens mit dem Staatsziel Tierschutz verboten sind. Das Verbot nützt aber nichts, solange es nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann. Da die Tiere den Schutz, der ihnen laut Verfassung zusteht, nicht selbst einklagen können, müssen seriöse Tierschutzorganisationen dies an deren Stelle tun können. In anderen Bereichen sind solche stellvertretenden Klagemöglichkeiten (Verbandsklagen) selbstverständlich, z.b. im Umweltschutz, der seit 1994 als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist. Jetzt, da auch der Tierschutz in der Verfassung steht, kann die Tierschutzklage nicht verweigert werden.

 

Mit der Tierschutzklage könnten die Verbände nicht nur gegen die Tötung von Eintagsküken angehen, sondern sie könnten auch tätig werden, wenn die Behörden nicht gegen gemeldete Missstände einschreiten und selbst notorische Tierquäler nicht das Handwerk legen. In diesen Fällen wäre es den Verbänden möglich, Massnahmen zu erzwingen. Schliesslich – und das ist ein ganz entscheidender Punkt – eröffnet die Tierschutzklage die Chance, die Rechtmässigkeit von Tierversuchen gerichtlich prüfen zu lassen. Dies gilt etwa für Untersuchungen, die nur erfolgen, um das xte Schnupfmittel auf den Markt zu bringen, oder für die längst tierversuchsfreie Verfahren zur Verügung stehen. Laut Verfassung und Tierschutzgesetz sin solche Tierversuche schon jetzt verboten.

 

Zu einer Klageflut wird es, wie man angesichts dieser Beispiele vielleicht meinen könnte, nicht kommen. Die Klagebefugnis würde nur grosse, seriöse Tierschutzorganisationen erhalten, denen es darum geht, Grundsatzurteile zu erwirken, die dann für die vergleichbare Problemfälle analog gehen. Eine Klageflut, die auch bei anderen Verbandsklagenrechten befürchtet worden war, aber nie eingetreten ist, scheidet im Übrigen auch aus finanziellen Gründen aus. Die Verfahren sind sehr teuer. Zudem würde allein die Möglichkeit, klagen zu können, ausreichen, damit die Behörden den Tierschutz bei ihren Entscheidungen angemessen berücksichtigen bzw. tätig werden, wenn die Tierschutzvereine beobachtete Missstände melden. Das Land Schleswig Holstein hat im Februar 2004 einen ersten Gesetzesentwurf für ein Tierschutzklagerecht in Bund und Ländern vorgelegt. Er sieht bei wichtigen Behördenentscheidungen expliziert auch die Beteiligung ausgewählter, seriöser Tierschutzverbände/- vereine vor. Der Entwurf soll ab Herbst 2004 in den Ausschüssen des Bundesrates verhandelt werden.

 

Der deutsche Tierschutzbund und seine Landesverbände treten seit Jahren für die Tierschutzklage ein und unterstützen auch entsprechende Verstösse der Politik. Mit dem Staatsziel Tierschutz hat sich der Staat zu einem effektiven Tierschutz verpflichtet. Das Klagerecht im Tierschutz ist das best geeignete Instrument, um diese Verpflichtung in die Tat umzusetzen. Wenn der Gesetzgeber den Auftrag zum besonderen Schutz der Tiere, den er sich mit dem Staatsziel selbst auferlegt hat, Ernst nimmt – und das muss er – ist ähnlich wie im Umweltschutz auch im Tierschutz ein Klagerecht dringend geboten. Wir bitten alle Tierfreunde, unsere Bemühungen, das Verbandsklagerecht auch im Tierschutz durchzusetzen, zu unterstützen. Die Tiere werden es Ihnen Danken !

 

Von Wolfgang Apel – Präsident des Deutschen Tierschutzbundes e.V.